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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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inbegriffen!«
    Wahrsager und Imbissverkäufer priesen sich und ihre Waren in höchster Lautstärke an, während Straßenhändler gleichgültigen Passanten Farbholzschnitte zum Anheizen der Lust hinhielten, auf denen Kunden und Prostituierte mit unvorstellbar großen Geschlechtsorganen in den unglaublichsten Positionen dargestellt waren. Als sich die Menge teilte, erhaschte Nobu einen Blick auf den mit Gitterwerk versehenen Käfig des Bordells auf der anderen Seite der Allee und die geschminkten Mädchen in den farbenprächtigen Kimonos, die in die Nacht starrten oder lustlos ihre Shamisen zupften.
    Auch Barbaren waren hier, mehr als je zuvor – die höfliche Bezeichnung, rief er sich ins Gedächtnis, lautete jetzt »Außenseiter« –, schlenderten in ihrer ungelenken Art auf und ab, warfen mit ihren runden Augen, die ihnen fast aus dem Kopf zu fallen schienen, Blicke in die Käfige. Alle Körperformen und -größen waren vertreten, die meisten riesig, aber auch kleinere, einige fett, andere dünn, mit blassrosa, brauner oder sogar schwarzer Haut, jedoch alle durch die Bank hässlich und haarig, mit übertrieben großen Gesichtszügen und grotesk gekrümmten Nasen.
    Der Geruch von gebratenem Aal, Kuchen aus Fischpaste und am Spieß gegrillten Spatzen hing verlockend in der Luft, vermischt mit Staub, Schweiß und verführerischen Parfüms, und unter allem der beißende Gestank der Kloaken.
    Nobu inhalierte den duftenden Tabak, stieß eine lange Rauchwolke aus und schaute zu, wie sie sich langsam auflöste. Die raue Baumwolle kratzte in der Hitze am Nacken. Er rollte einen Tabakbrocken zwischen den Fingern, stopfte seine Pfeife damit, nahm einen weiteren Zug und kaute nachdenklich auf dem Stiel. So vieles gab es zu bedenken. Zum einen war sein Bruder Kenjiro wieder krank. Seine Brüder waren nach Süden gekommen und hatten es geschafft, ein kleines Haus in Tokyo zu finden, doch nun musste Nobu für die Miete aufkommen und Kenjiros Medizin bezahlen. Und sein Vater und Gosaburo im Norden brauchten auch Geld. Sie arbeiteten alle, so schwer sie konnten, aber momentan war er am besten in der Lage, etwas zu verdienen. Jetzt, in den Sommerferien, musste er sich bemühen, möglichst viel Geld zusammenzubringen. Bald würde er wieder in der Kadettenanstalt sein, und dann kamen die Examen. Wenn er die nicht bestand, würde er hochkant hinausfliegen, und was dann? Was würde aus seiner Familie werden, die von ihm abhängig war?
    Lernen und Geld verdienen. Darauf musste er sich konzentrieren. A cœur vaillant rien d’impossible.
    Plötzlich fing er den Klang einer Stimme auf, unbeschwert und neckend, die sich über das Klappern der hölzernen Getas und das Lärmen der Rufe und des Gelächters erhob. »He, Yamakawa, wie steht’s? Ging ja ganz schön zu, oder? Die letzte Runde hat mich fast umgehauen.« Irgendwo in Nobus Hinterkopf kam eine Erinnerung hoch. Er kannte diese selbstgefällige, schleppende Aussprache, konnte sie aber absolut nicht einordnen.
    Er spitzte die Ohren, doch die Stimme war verstummt. Dann hörte er sie wieder, wie sie über das Meer wippender, schwarzhaariger Köpfe auf ihn zukam. Sie sprach Edo-Dialekt, jedoch mit einem Hauch von Kyoto-Näseln. »Ich wäre heute Morgen nie hier weggekommen, wenn unser Rikscha-Junge nicht am Tor auf mich gewartet hätte. Suzuki, du siehst heute aber auch nicht so frisch aus, was?« Der allgemeine Lärm verschluckte die Antwort.
    Nobu starrte in die Menge, versuchte ein Gesicht zu entdecken, das er kannte. Die Stimme kam näher.
    »Und ist das nicht die kleine Ayame?« Das war der Ton eines Mannes, der mit einem Kind, einer Frau oder einem Hund sprach. »Schau an, wie sie gewachsen ist! Sie wird jetzt bald ihre erste Nacht feiern, nicht wahr? Wer wird wohl in ihrer ersten Nacht das Kissen mit ihr teilen?«
    Nobu fing die Antwort auf: »Du würdest nicht glauben, wer dieser Glückspilz ist, Eijiro-sama.«
    Natürlich. Eijiro. Takas Bruder Eijiro. Nobu hatte immer gewusst, dass Eijiro ein eifriger Stammkunde des Vergnügungsviertels war. Erstaunlich, dass er ihm bisher noch nicht über den Weg gelaufen war.
    Als ihm diese Erkenntnis kam, zog Nobu sich rasch in den Schatten zurück. Er erinnerte sich nur allzu gut an diese Stimme, wie sie ihn angeherrscht hatte: »He, du. Nennst du diese Stiefel sauber? Dein hässliches Gesicht sollte sich darin spiegeln. Wir bezahlen dich nicht fürs Faulenzen.« Wenn er Nobu anbrüllte, hatte nicht der leiseste Charme in seiner Stimme

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