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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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wurde.
    Er sprang auf, warf sich in die Menge gaffender Zuschauer, stieß feuchte Seide und verschwitzte Körper beiseite. Menschen stolperten protestierend zurück und fluchten ihm hinterher.
    Eijiro war von einer Bande Jugendlicher umringt, die mit Stöcken und Messern fuchtelten. Einige trugen Baumwolljacken, andere waren bis auf das Lendentuch nackt, die Tätowierungen auf Brust, Rücken und sehnigen Schenkeln schimmerten vor Schweiß. Eijiro hatte sich den Jugendlichen entgegengestellt. Soweit Nobu sehen konnte, war er unbewaffnet. Tsusaka stand neben ihm, die schmalen Finger um den Griff ihres halb aus dem Obi gezogenen Dolches gelegt, die roten Lippen verächtlich gekräuselt. Eijiros Freunde hatten sich beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten verzogen.
    Nobu warf sich mitten unter die Bande, schob die Kerle aus dem Weg, trampelte über sie hinweg, schickte zwei zu Boden wie bauchige Darumafiguren und stellte sich neben Eijiro.
    Die Jugendlichen ballten die Fäuste, duckten sich und scharrten mit den Füßen, zum Angriff bereit. Sie waren zu zehnt oder zwölft. Wenn sie sich alle gemeinsam auf ihn und Eijiro stürzten, würde es schwierig werden. Doch Nobu hatte so eine Ahnung, dass sich hinter den kämpferischen Tätowierungen nur verschlagene, krummbeinige Raufbolde verbargen, die sich ein leichtes Ziel wie Eijiro ausgesucht hatten, sich aber schnellstens aus dem Staub machen würden, falls die Gefahr bestand, selbst verletzt zu werden.
    Kalte schwarze Augen starrten ihn an, und er fragte sich, ob ihn diesmal das Glück verlassen würde. Ein Bursche mit dunkler Gesichtshaut und schmaler Stirn wölbte den Brustkorb vor wie ein Kampfhahn. »Geh ausm Weg, Bubi, sonst kriegste was ab«, knurrte er.
    Nobu wich nicht zurück. »Zu zehnt gegen einen?«, grunzte er. Er konnte genauso nuscheln wie ein übler Straßenbandit. »Was seid’n ihr für Feiglinge. Wennste kämpfen willst, musste auch gegen mich kämpfen.«
    »Aus’m Norden, was?«, grummelte der Mann. »Warum setzte dich denn für dieses Kartoffelgesicht ein? Weißte nich, wer er ist? Sein Papa is der Anführer von diesen Generälen ausm Süden, die euch abgemurkst haben.«
    »Der Krieg ist lange vorbei. Vergiss Norden und Süden. Lass ihn in Ruhe.«
    Die Männer drängten sich näher heran, fuchtelten mit ihren Stöcken. Dann ertönten Rufe wie: »Aus dem Weg, aus dem Weg, was geht denn hier vor?« Mehrere stämmige Männer, die Ärmel zum Kampf zurückgebunden, drängten sich durch die Menge – die Yoshiwara-Polizei. Die Unruhestifter sahen sich an, und Augenblicke später waren sie in der Menge verschwunden.
    Nobu machte auf dem Absatz kehrt. Er musste zurück auf seinen Posten, und das rasch, bevor Mori-sama ihn zu sich rief und Bunkichi und Zenkichi seine Abwesenheit bemerkten. Wenn er nicht aufpasste, verlor er seine Arbeit, und die war schon nicht leicht zu finden gewesen. Er wollte unbedingt verschwinden, bevor Eijiro ihn erkannte. Der hatte die Prügel bestimmt nicht vergessen, die er ihm verabreicht hatte.
    Eine große Hand legte sich auf seine Schulter. »Sie haben diese Banditen ja schnellstens verjagt, mein Guter. Die sind verschwunden, sobald die Sie erblickt haben. Ich stehe in Ihrer Schuld. Lassen Sie mich Ihnen ein Essen und eine Frau spendieren. Sind wohl hier gut bekannt, was?«
    Widerstrebend drehte Nobu sich um. Eijiro lächelte. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, wer Nobu war. Zwei Jahre waren vergangen, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Nobu war ein dürrer Sechzehnjähriger gewesen und ein Dienstbote, praktisch unsichtbar, kaum menschlich, soweit es seinen Herrn betraf. Jetzt war er ein Mann, hochgewachsen und muskulös. Eijiro hingegen war immer noch der rotgesichtige, ziemlich schwammige Bursche, den Nobu in Erinnerung hatte.
    Eijiros Gesichtsausdruck veränderte sich, und ihm fiel die Kinnlade herunter. Er riss die Hand von Nobus Schulter und trat einen Schritt zurück. »Das kann nicht sein. Doch nicht etwa … Nobu?«
    Nobu fluchte innerlich und wünschte sich, nicht so impulsiv gewesen zu sein. Er wollte um jeden Preis vermeiden, dass dieser Mann ihn aufspüren konnte. Weder mit ihm noch seiner Famile wollte er je wieder etwas zu tun haben. »Kitaoka-sama. Zu Ihren Diensten, Herr.«
    »Du hast mir die Haut gerettet, junger Nobu.« Eijiro versuchte schroff zu klingen. »Muss wohl Karma sein, dass du immer auftauchst, wenn man es am wenigsten erwartet. Kitaokas zu retten, scheint deine Spezialität zu

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