Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
sie ihre Mutter so grimmig sprechen hören.
Eijiro lag über die Matten ausgestreckt wie ein gestrandeter Wal. Er trug noch die eleganten Gewänder, mit denen er ins Vergnügungsviertel aufgebrochen war, aus feinster Seide, mit besticktem Futter. Einer der teuren Ärmel war eingerissen und hing lose an der Schulter.
»Du vergisst eines, Mutter«, knurrte er mit erhobener Stimme. Sein breites Gesicht wirkte düster und trotzig. Fujino hob die Hand, bedeutete ihm, leiser zu sprechen. Sich vor den Dienstboten zu streiten, ging nicht an. »In Abwesenheit meines Vaters bin ich der Herr in diesem Haus. Ich erweise dir den gebührenden Respekt, aber du bist trotzdem eine Frau. Du hast die Pflicht, meinen Befehlen zu gehorchen.«
»Sag, was du willst, mein Sohn. Wir haben kein Geld. Dein Vater ist seit Jahren fort, und wie oft hören wir von ihm? Ich bin mit meiner Weisheit am Ende, wie ich diesen Haushalt zusammenhalten soll. Und jetzt wird Taka heiraten, und wir müssen eine Mitgift zusammenbringen.«
»Tsukasa ist die gefeiertste Kurtisane der Stadt, Mutter. Selbst du musst schon von ihr gehört haben.« Taka sah ihn erstaunt an. Er konnte doch wohl nicht die berühmte Tsukasa meinen? Viele Mädchen in der Schule besaßen Kopien von Kuniteros Farbholzschnitten dieser Frau, unglaublich elegant und schlank, und alle Welt bewunderte ihre Kimonos und die moderne Art, in der Tsukasa sie trug. Ihre gewagte »Dachtraufen«-Frisur, die schwingend über ihre Ohren hing wie die Dachtraufen eines Hauses, war der neueste Modeschrei. Selbst Fujino frisierte ihr Haar manchmal im Tsukasa-Stil. Auch Fotografien gab es von ihr, posierend auf einem Stuhl, um zu zeigen, dass selbst in Yoshiwara Zivilisation und Aufklärung herrschten.
»Alles ist arrangiert. Ich habe die Bedingungen ausgehandelt«, sagte Eijiro ungeduldig. »Unsere Familie wird entehrt, wenn ich das Geld nicht vorlege. Ich verspreche dir, Mutter, dass es unserem Haus Ruhm bringen wird, wenn ich Tsukasa zu meiner Konkubine nehme.«
Fujino knallte ihren Fächer so hart auf die Tatami, dass Staub aufwirbelte. »Narr! Du wirst Schande über uns bringen, sonst nichts.« Noch nie hatte Taka sie so wütend erlebt. »Du hast nicht mal eine Ehefrau. Wie kannst du dann eine Konkubine nehmen? Wir sind ein Haus zweiten Ranges und stehen daher unter noch stärkerer Verpflichtung, unsere Ehrbarkeit zu bewahren. Schau dich doch an. Du bist ein Nichtsnutz, hast nichts anderes im Kopf, als zu trinken und zu huren. Du beschmutzt den guten Namen deines Vaters. Und deine teure Kleidung, alles zerrissen. Ich kann einfach nicht glauben, dass ein Sohn von mir auf eine Hure hereinfällt, und dann auch noch auf eine Yoshiwara-Hure. Wenn dein Vater das wüsste, würde er dich enterben.«
Eijiro setzte sich auf, kam auf die Knie und schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass die Teebecher auf ihren Untertassen klapperten. »Du warst nichts als eine Geisha, Mutter, erinnerst du dich? Vater hat dich freigekauft. Und du verweigerst mir dasselbe Privileg?«
»Ich war eine Geisha aus Gion vom allerhöchsten Rang«, fauchte Fujino. »Wir Geishas besitzen Stil und Kultiviertheit. Wir sind etwas vollkommen anderes als diese sogenannten Kurtisanen.« Sie senkte den Blick. »Die glorreichen Tage der fließenden Welt sind längst vergangen. Heutzutage gibt es in Yoshiwara nichts anderes als ganz gewöhnliche Bordelle, und diese Kurtisanen sind nichts Besseres als Prostituierte. Deine Tsukasa hat dich an den Eiern. Sie hat dich mit dem, was sie zwischen den Beinen hat, an den Haken gekriegt. Sie ist es nicht wert, die Konkubine des Sohnes von General Kitaoka zu werden. Ich wünschte, dein Bruder Ryutaro wäre noch bei uns. Ihm wäre so etwas nicht im Traum eingefallen.«
Eijiros Gesicht verfinsterte sich, und er ballte die Fäuste, bis seine Knöchel weiß wurden. Er atmete tief ein. »Deine Worte sind harsch, Mutter, aber eines muss ich dir zugestehen. Es stimmt. Seit dem Viehbefreiungsgesetz ist Yoshiwara im Niedergang begriffen. Jetzt gibt es da nur noch Frauen aus niederen Schichten, sehr viel niederer. Das ist der Grund, warum ich sie freikaufen muss. Eine Frau wie sie hat ein besseres Leben verdient.« Er beugte sich vor und schaute Fujino durch schmale Augen an. »Lass mich dir eines erzählen. Wir wurden von einer Straßenbande angegriffen, deshalb ist mein Ärmel zerrissen.«
»Du wurdest angegriffen?« Fujino erbleichte. »Mein geliebter Sohn, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht in
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