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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wasser
     des Salzsees, und es war wärmer als die Wasser, die im Frühjahr durch die Gärten fließen. Und ruhiger schien es auch, obwohl
     es Wellen gab.
    Sibel würde auch gern das Meer sehen. Um es zu malen. Aber sie kann es auch aus ihrer Phantasie malen, jetzt, wo Melike es
     beschrieben hat. Und schon am nächsten Abend zeigt sie ihrer Schwester das Wasserfarbenbild.
    |254| – Nein, sagt Melike, nein, das Wasser ist noch dunkler, und die Wellen sind viel höher, und sie sind nicht so gekräuselt.
     Sie haben den gleichen Abstand zueinander, und am Strand wird das Wasser zwar weiß, aber nicht so wie Seifenschaum, das sind
     hellere Bläschen.
    – Wasser, sagt der Schmied immer, Wasser kennen wir aus dem Becher, wir sind Anatolier.
     
    – Wasser, sagt auch Gül, als sie schweißgebadet in den Wehen liegt, bitte gebt mir Wasser.
    Es ist ein brütend heißer Tag, sie liegt in ihrem Zimmer, ihre Mutter und Schwiegermutter und eine Hebamme sind da, Güls Kopfkissen
     ist schon naß, sie möchte nicht schreien, sie möchte auch nicht schwitzen. Niemand hat ihr gesagt, daß es so weh tun würde,
     sie möchte am liebsten ganz weit weg sein, sie will, daß jemand kommt und sie von diesen Qualen erlöst. Sie spürt, wie ihre
     Schwiegermutter ihre Hand drückt, aber sie ahnt die beruhigenden Worte nur, sie kann sie nicht hören, da passen keine Geräusche
     mehr in ihren Kopf.
    Zwei Tage. Zwei Tage noch hätte das Baby warten können. In zwei Tagen wird Fuat kommen. Gül schreit, das Gesicht eine Grimasse,
     Schweiß tropft ihr von einer Haarsträhne genau ins Ohr hinein und läßt sie erschauern. Daran kann sie sich Jahre später noch
     genau erinnern, an diesen Tropfen, von dem sie glaubt, er würde durch ihren Gehörgang direkt in ihr Gehirn laufen. Kurz darauf
     muß Ceyda gekommen sein. Vielleicht auch lange danach. Zeit existiert nicht mehr, die dehnt und streckt sich und konzentriert
     sich dann in einem Punkt und verschwindet irgendwie. Doch irgendwann ist es soweit. Der Herr hat ihre Gebete erhört, es ist
     ein gesundes Kind. Die Hände und Füße sind an den richtigen Stellen, der Schrei ist so schön wie die Gesänge der Vögel im
     Frühling und ihr Schlaf so weich wie die Wolle der Lämmer.
     
    Auch Güls Schwiegereltern besitzen einen Apfelgarten, und Fuat muß bei der Ernte mithelfen. Er hat Urlaub, doch den |255| ganzen Tag liest er Äpfel auf, und abends fällt er erschöpft ins Bett, nachdem er seine Tochter liebkost hat. Gül vermutet,
     daß er lieber einen Sohn gehabt hätte, aber sie ist sich nicht sicher, und sie sieht ihren Mann in den acht Tagen, in denen
     er da ist, nur nachts. Sein Bauch ist noch dicker geworden, jeder macht Witze darüber, wie gut es ihm beim Militär geht und
     wie alle dort immer nur auf der faulen Haut liegen, Zigaretten rauchen, Baklava essen und die Bordelle besuchen, wenn sie
     Ausgang haben. Letzteres ist eine Fopperei, die sich nur seine Freunde erlauben.
    In den ersten Tagen der Apfelernte hat Fuat Muskelkater, sie liegen tatsächlich auf der faulen Haut beim Militär, essen, spielen
     Karten und erzählen sich die immer gleichen Geschichten von zu Hause.
    Bei uns, ne, also bei uns auf dem Dorf, da ist diese alte Frau, ne, die sich mit den Seelen der Toten unterhalten kann. Oder:
     Im Nachbardorf, das ist wirklich passiert, das könnt ihr glauben, ich spinn jetzt kein Garn, ich weiß, es schickt sich nicht
     für Menschen, aber so sind wir nun mal, also die vom Nachbardorf, denen kommen die unglaublichsten Ideen. Der Herr möge sie
     nicht verfluchen. Da hat einer der jungen Männer eine Hündin gefickt. Ja, davon habt ihr schon mal gehört, aber die Hündin
     hat einen Krampf bekommen, und er konnte seinen Schwanz nicht mehr rausziehen, es ging nicht, er steckte fest. Er wußte nicht,
     was er tun sollte, er hat die arme Hündin geschlagen, und er hat versucht sie zu füttern, aber sie hatte einen Krampf, und
     er bekam sein Ding nicht mehr raus. Ja, es ist eine Sünde, ich weiß. Schließlich hat er die Hündin mit einem Stein erschlagen,
     und im Todeskampf hat sie sich noch mehr verkrampft, doch am Ende konnte er sein Ding endlich rausziehen. Seitdem ficken sie
     bei uns im Nachbardorf lieber die Hühner in den Arsch. Wirklich, es ist wahr, der Allmächtige ist mein Zeuge.
    Mit solchen Geschichten haben sie sich die Zeit vertrieben, doch jetzt muß er arbeiten wie alle anderen auch. Den ganzen Tag
     sind sie beschäftigt, um die Mittagszeit machen sie eine

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