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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Frühstück
     bemerkt Berrin zufällig, daß das Feuer nicht brennt.
    – Was ist das? fragt sie. Ist heute dein fauler Tag? Willst du, daß wir alle frieren?
    – Es ist gar nicht so kalt. Ich mache es sofort nach dem Frühstück, sagt Gül und nimmt aus Trotz noch einen Schluck von ihrem
     Tee. Es wird schon nicht das ganze Haus auskühlen, wenn sie den Ofen zehn Minuten später anmacht. Außerdem haben sie alle
     schon mal in Zimmern geschlafen, in denen es gefroren hat. Auch ihre Schwiegermutter.
    – Los, los, sagt Berrin, sitz nicht so faul rum und spiel mir den Teegenießer.
    Vielleicht ist sie mit dem falschen Fuß aufgestanden.
    – Sofort, sagt Gül und setzt ihr Glas ab. Es ist das erste Mal in diesem Winter, daß sie frühstücken, bevor der Ofen angemacht
     ist. Im letzten Jahr kam das öfter vor, aber da hat immer ihre Schwiegermutter gefeuert.
    – Hörst du, was ich sage?
    Gül erhebt sich, geht in den Raum, in dem das Holz aufbewahrt wird. Holz und Gerätschaften, die niemand mehr braucht, alte
     Kutschräder, ein verrosteter Spaten, ein Faß, das wahrscheinlich leckt, und ein riesiges verbeultes Kupfertablett. Sie nennen
     ihn Keller, aber es sind nur drei Stufen hinunter zu diesem Raum, der keine Fenster hat und an den Stall grenzt. Die Luft
     dort ist im Sommer kühl, aber schwer, feucht |259| und erdig, und im Winter scheint es im Keller noch kälter zu sein als draußen.
    Gül läßt die Tür auf, damit genug Licht hereinfällt. Sie sieht ein paar Mäuse davonhuschen. Vielleicht sind es auch Ratten.
     Es ist ihr nicht wohl, sie ekelt sich wie früher, aber sie hat nicht mehr solche Angst, weil sie gelernt hat, daß die Tiere
     vor ihr flüchten. In einem Stall übernachten würde sie deswegen noch lange nicht. Wenn man ganz unschuldig schläft, dann krabbeln
     die Mäuse einem bestimmt über das Gesicht und beißen in die Nase oder ins Ohr.
    Nah an der Wand, direkt vor dem aufgeschichteten Holzhaufen, hockt Gül sich hin. Sie beginnt ein wenig Reisig zusammenzusuchen,
     mit dem sie gleich das Feuer anfachen kann.
    Zuerst hört sie das Geräusch. Ein gedämpftes Knacken, und danach klingt es, als würde etwas bröckeln. Kurz hält sie inne,
     sieht vom Boden hoch, weil sie nicht versteht, woher die Laute kommen. Ihr Blick fällt auf einen eisernen Ring, der aus der
     Wand ragt, wahrscheinlich hat man mal Tiere daran festgebunden. Dann spürt sie, wie der Boden unter ihr nachzugeben scheint.
     Einen Bruchteil einer Sekunde glaubt sie, sie würde sich das nur einbilden.
    Als nächstes baumeln ihre Beine in der Leere. Hätte sie nicht reflexartig nach dem Ring gegriffen, wäre sie in das Loch gefallen,
     das sich im Boden aufgetan hat. Mit der rechten Hand hängt sie an diesem Ring, ihr Körper reibt an der Wand, und sonst ist
     da nichts. Statt des Bodens, auf dem sie gerade noch hockte, ist da ein Loch, groß wie ein Kutschrad. In ihrer ersten Panik
     strampelt Gül mit den Füßen und verliert einen Pantoffel. Sobald sie das merkt, wird sie ganz still und lauscht, lauscht,
     wann der Pantoffel aufschlagen wird. Sie hört keinen Laut.
    – Hilfe, Mutter, Hilfe.
    Gül lauscht wieder, sie glaubt das Klacken der Holzpantoffeln ihrer Mutter zu hören. Und außerdem das Geräusch des Besens
     auf dem Boden.
    |260| – Hilfe, ruft sie wieder, und in der Stille danach ist sie sicher, daß das einzige Geräusch das Schaben des Besens ist.
    Rechts von ihr ist noch ein Stück fester Boden. Oder zumindest noch nicht verschwundener Boden. Sie müßte die Hände wechseln,
     den Ring mit der Linken halten, versuchen, die Rechte auf den Boden zu kriegen, und sich dann langsam hochziehen.
    Doch sie traut sich nicht. Der Ring ist nicht besonders groß, und sie hält ihn nur mit vier Fingern fest. Ihr Unterarm schmerzt
     schon.
    – Hilfe.
    Pantoffelklackern und Besenschaben.
    – Mutter, hilf mir.
    Besenschaben und Pantoffelklackern.
    Ceyda, denkt Gül, Ceyda.
    An den Rest kann sie sich nicht erinnern. Sie kann später weder ihren Schwiegereltern, noch ihrem Vater, noch sonst jemandem
     begreiflich machen, wie sie es geschafft hat, aus diesem Loch herauszuklettern.
    – Der Herr hat mich beschützt, kann sie nur sagen. Ich bete jeden Abend um seinen Schutz, und er hat mich erhört.
    Sie weiß nur, wie sie zu ihrer Mutter gelaufen ist, die gerade den Besen wegstellte, und wie sie etwas sagen wollte, wie sich
     das Gesicht ihrer Mutter verändert hat und wie dann ihre Knie nachgegeben haben. Und als nächstes wird

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