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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ursache, aber Fuat spielt tatsächlich kaum mehr. Häufig beobachtet Gül, wie
     er Scheine in eine kleine Schachtel steckt, die er ganz hinten im Wandschrank verstaut.
    Gül weiß, wie oft ihr Mann die Unterhose wechselt, sie weiß, wer seine Freunde sind, mit denen er abends ausgeht, sie weiß,
     wieviel er trinkt, sie weiß, daß er sie einige Male |270| nachts nicht geweckt hat, wenn er, aufgepeitscht vom Alkohol, heimkam, sondern sich selber geholfen hat. Sie weiß, wann er
     sich mit seinem Vater gestritten hat, sie weiß, wie er aussieht, wenn er seinen Ärger schlucken muß, sie weiß so vieles, aber
     sie weiß nicht mal ungefähr, wieviel Geld in der Pappschachtel ist. Sie schaut nicht nach und fragt auch nicht. Er ist der
     Mann.
     
    Zwei, höchstens drei Tage sitzen die Schwestern in diesem Sommer zusammen auf der Truhe ihrer Mutter. Und auch die Gespräche
     sind jetzt anders.
    – Ich kann mich auf der Straße mit einem Jungen unterhalten, ohne daß gleich jemand darüber redet, sagt Melike. Keiner kennt
     dich, keiner sieht dich schief an. Wir haben ein Mädchen von der Schwarzmeerküste bei uns in der Klasse, bei denen muß es
     noch schlimmer sein als bei uns. Weißt du, was sie erzählt hat? Sie haben ein kleines Feld, wirklich klein, und es liegt am
     Meer irgendwo, mitten zwischen den Felsen ist ein Stück fruchtbares Land, aber man kommt nicht dorthin, nicht über die Felsen.
     Also hat ihr Vater immer ihre Mutter an einem Strick hinuntergelassen. Er saß oben, hat geraucht, und wenn ihre Mutter die
     Arbeit getan hatte, hat er sie wieder hochgezogen.
    – Aber er hätte doch auch gearbeitet, sagt Sibel, nur wäre die Mutter nicht stark genug gewesen, ihn hochzuziehen.
    – Egal, ich will in die Stadt.
    Sibel erzählt noch von diesem Mädchen in ihrem Schlafsaal, von dem niemand weiß, wieso es im Internat ist, da es reiche Eltern
     hat.
    – Sie hat es schwer, sie wird von niemandem beachtet. Immer versucht sie, freundlich und großzügig zu sein, sie lädt uns zum
     Tee ein, und viele trinken den Tee, reden aber trotzdem nicht mit ihr. Eigentlich ist sie ganz nett, aber sie ist reich. Ich
     glaube nicht, daß ich so reich sein möchte.
    – Aber wenn du so reich wärst, dann würdest du doch auf eine andere Schule gehen, sagt Melike.
    |271| – Und du freundest dich nicht mit ihr an? fragt Gül.
    Sibel schüttelt den Kopf.
    – Ich würde ja, aber die anderen sehen einen dann seltsam an. Und ich habe ja auch schon eine Freundin, Nilüfer.
    Gül kann sehen, wie schwer es Sibel gefallen sein muß, in ihrer Schule eine neue Freundin zu finden. Sie kann Sibel vor sich
     sehen, wie sie an der Wand des Korridors entlangschleicht und im Schlafsaal an einem zugigen Fensterplatz liegt.
    – Ein Mädchen macht manchmal nachts ins Bett, sagt Sibel leise und sieht dabei zu Boden. Um Melike nicht ansehen zu müssen,
     denkt Gül.
    – İzel heißt sie, İzel liegt direkt neben mir, und Sevgi hat erzählt, daß der Geruch von mir käme. Sie hat allen Mädchen erzählt,
     daß ich noch ins Bett mache. Nur weil ich ihr kein Bild für den Kunstunterricht gemalt habe wie für Nilüfer. Aber das mache
     ich nur für eine Freundin. Und Sevgi ist so ne blöde Streberin, in jedem Fach ist sie Klassenbeste, außer in Kunst, da bin
     ich die Beste, sie lernt immer nur alles ausw…, sie lernt den ganzen Tag. Und dann kam unser Erdkundelehrer und hat gefragt,
     ob ich denn nachts manchmal Probleme hätte, aufzuwachen. Und ich wußte erst nicht, was er meint. Aber als ich es verstanden
     habe, ist mir ganz heiß geworden, ich habe mich geschämt, obwohl ich es doch gar nicht war. Und er hat mir nicht geglaubt,
     weil ich so rot geworden bin, und er hat mir auch erzählt, daß Sevgi es ihm erzählt hat. Ich bin zu ihr hin und habe sie gefragt,
     warum sie Lügen über mich verbreitet. Habe ich doch gar nicht, hat sie gesagt, was soll ich denn gesagt haben? Du darfst den
     anderen nicht glauben, sie wollen mich manchmal anschwärzen, weil sie mich nicht leiden können, weil ich so gut in der Schule
     bin, hat sie gesagt. Und ich habe ihr gesagt, daß ich es vom Erdkundelehrer habe, daß sie behauptet hat, ich würde ins Bett
     pinkeln. Da war sie ganz still. Und ich hab so lange auf sie eingeredet, bis sie endlich zum Lehrer gegangen ist und gesagt
     hat, daß sie sich vertan hat. Stundenlang habe ich |272| auf sie eingeredet. Sonst gehe ich zu İzel und zwinge sie, es zuzugeben, dann stehst du noch dümmer da, habe ich

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