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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kein Glücksspiel
     mehr, keine Karten. Wir fangen an zu sparen. Schenk mir noch mal Wasser ein, sagt er, nachdem er sein Glas aus der Rakıflasche
     nachgefüllt hat.
    Ceyda ist seit zwei, drei Tagen quengelig und fängt an zu schreien, sobald Gül sie auf das Bett legt. Gül steht auf und will
     die Karaffe nehmen, die sie im Sitzen nicht erreicht. Weil sie Ceyda auf dem rechten Arm hält, greift sie die Karaffe mit
     links. Sie kriegt sie nicht sofort richtig zu fassen und muß noch mal absetzen. Ungelenk schüttet sie Fuat Wasser ein, als
     Ceyda einen Laut von sich gibt. Für einen Moment ist Gül abgelenkt, und das Glas läuft über. Sie merkt es fast sofort, doch
     in ihrer Hast verschüttet sie noch mehr Wasser, etwas davon auch auf Fuats Füße, an denen er Gefängnisstrümpfe trägt.
    – Kannst du nicht mal aufpassen? braust Fuat sofort auf. Du und deine wertvolle Karaffe. Und von dem Kind kannst du dich nicht
     eine Sekunde trennen, schreit er.
    Gül weiß, daß solche plötzlichen Stimmungsumschwünge keine Seltenheit sind, wenn Fuat viel getrunken hat.
    |268| – Gib die Karaffe her, sagt er, und Gül weiß nicht, was sie tun soll. Sie zögert.
    – Gib mir deine ach so kostbare Karaffe, mach schon, gib her, schreit Fuat.
    Er ist aufgestanden und steht mit geröteten Augen vor ihr, die Schultern leicht zurückgenommen, die Brust hervorgestreckt.
    – Gib mir diese verfickte Karaffe, zum Teufel noch mal. Kaum faßbar, wie du an ihr hängst.
    Wortlos und langsam reicht Gül ihm die Karaffe. Ceyda schreit.
    – Soll ich sie gegen die Wand werfen, ja, soll ich das? Diese Karaffe ist dir mehr wert als dein Mann, so ist es doch, oder?
     Soll ich sie aus dem Fenster werfen?
    Ausholend hebt er die Karaffe in Schulterhöhe.
    Mach doch, würde Gül gern sagen, dann würde er die Karaffe hinausschleudern. Das wäre nicht schlimm. Aber das wäre respektlos,
     er würde sich noch mehr aufregen. Willst du mich provozieren, oder was? würde er fragen. Bist du hier der Mann im Haus? Ich
     mache, was mir gefällt, verstehst du, was mir gefällt.
    Also blickt Gül zu Boden und wartet ab. Zum Glück hat Ceyda aufgehört zu schreien. Zum Glück kommt niemand ins Zimmer, wenn
     er laut wird. Das gehört dazu, mögen die anderen wohl denken, das kann passieren, daß man sich am Anfang noch nicht so gut
     versteht. Das kommt mit den Jahren. Man kann sich nicht in das Glück junger Eheleute einmischen.
    – Lerne, damit zu leben, hat Suzan Gül geraten. Du mußt ihn akzeptieren, wie er ist. Was hast du sonst für eine Wahl? Einige
     hören auf zu trinken, wenn sie etwas älter werden.
    Wie mein Vater, denkt Gül. Es gibt legendäre Geschichten über Timur, wie er nachts an Fenstergittern gerüttelt hat, weil alle
     flüchteten, wenn er so betrunken war, daß er kaum mehr stehen konnte, aber noch unbedingt jemanden zum Kräftemessen brauchte.
     Einige Male hatten Nüchternere als er es |269| sich getraut, sich mit ihm anzulegen. Sie hatten sich auf ihre Reaktionen verlassen, auf ihr Blickfeld, ihren Gleichgewichtssinn.
     Doch der Schmied hatte sie einfach umklammert, zu Boden geschmissen und dann verdroschen. Es soll Wochen gegeben haben, in
     denen die Schürfwunden an seinen Knöcheln nicht verheilten. Schon bald schlug sich niemand mehr mit ihm, und irgendwann, es
     mußte wohl ein, zwei Jahre nach der Heirat gewesen sein, hatte er fast ganz aufgehört zu trinken. Gül hat ihren Vater noch
     nie betrunken erlebt, sondern höchstens mit einem Glas in der Hand.
    Vielleicht wird Fuat ja eines Tages auch so. Doch an diesem Abend steht er mit der erhobenen Karaffe im Zimmer und sagt:
    – Sieh mich an, wenn ich mit dir rede.
    Gül blickt ihm in die Augen, einfach nur geradeaus in die glasigen, rot geäderten Augen.
    – Jederzeit, jederzeit kann ich diese verschissene Kanne aus dem Fenster pfeffern, verstehst du? Jederzeit.
    Gül nickt, und Fuat setzt sich wieder hin, stellt die Karaffe ab und stürzt seinen Rakı hinunter. Einige Tropfen laufen ihm
     übers Kinn.
     
    Am nächsten Morgen sagt Fuat kein Wort, doch er vermeidet es, Gül anzusehen. Und auch als er abends heimkommt, spricht er
     nicht mit ihr. Gül ist dadurch noch mehr gekränkt, aber sie ahnt den Grund für sein Verhalten. Melike kann auch nur schwer
     zugeben, daß sie etwas falsch gemacht hat. Aber sie ist meine Schwester, und ich liebe sie, denkt Gül. Und er ist mein Mann,
     ihm will ich auch nicht böse sein.
    Möglicherweise ist das schlechte Gewissen die

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