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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Gelegenheit dazu. Ich versichere Ihnen, Madame, ich bin niemand, der zur Schrullenhaftigkeit neigt.«
    »Aha.« Jane hatte sehr wohl die Prahlerei in seiner Bemerkung herausgehört. Eine sehr machohafte Angelegenheit, der Umgang mit Drachen. Sich diese großen, eisernen schwarzen Maschinen zwischen die Beine schnallen und dann den Gashebel betätigen. In der Gewißheit, junge Damen feucht werden zu lassen. »Sie sind einer dieser Gentlemen, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienen Kinder zu versklaven.«
    Rocket errötete. »Mein Job besteht nicht bloß aus dem Einsammeln von Wechselbälgen«, protestierte er.
    »Wirklich?« Jane fühlte sich federleicht, gewissenlos, amoralisch. »Man sollte meinen, das allein sei so ziemlich ausreichend.«
    Seine Miene war angespannt. Aber er brachte ein überzeugendes Lächeln und eine entschuldigende Verbeugung zustande. »Wir haben anscheinend irgendwie auf dem falschen Fuß angefangen. Wenn Sie mir das Privileg gestatten, nochmals von vorn anzufangen ...? Mein Name ist Rocket. Ich genösse sehr gern das Vergnügen Ihrer Begleitung.«
    »Sind Sie einfältig?« Das machte wunderbar viel Spaß. »Sie sind abgewiesen worden, Sir.«
    Der Drachenpilot vollführte eine mißlungene Bewegung in ihre Richtung, wie getrieben von irgendeinem großen Gefühl. Er sah so aus, als müßte er entweder sofort gehen oder sie ansonsten schlagen. Jane blickte ihn kalt an, wobei sie eine ungesunde Erregung verspürte, ein unwiderstehliches und unkluges Verlangen, genau herauszufinden, wie weit sie ihn herausfordern könnte. Dann trat er mit einem erstickten Aufschrei vor und faßte sie beim Kinn. Er drückte ihr grob den Kopf in den Nacken und zur Seite. »Beim Heiligen Wolf, Sie sind ein Wechselbalg!«
    Jane wand sich los. »Behandeln Sie Damen üblicherweise so? Gute Nacht , Sir!«
    »Ich habe siebzehnmal das Traumtor passiert. Hierin kann ich mich nicht irren.«
    »Und was wollen Sie jetzt unternehmen?« fragte Jane. »Werden Sie mich den Hospitälern übergeben? Ich bin alt genug, daß man mit der Zucht anfangen könnte, stimmt’s? Man könnte zehn oder zwölf Mischlinge aus mir herausholen, bevor mein Leib zusammenbräche.«
    Hätte sie ihn geschlagen, Rocket hätte kaum mehr erbleichen können. Mit zusammengepreßten Händen und loderndem Blick trat er zurück. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, schloß ihn wieder.
    Aber er ging noch immer nicht.
    »Da seid ihr!«
    Galiagante schlenderte auf den Balkon heraus, hinter sich sein funkelndes und glänzendes Gefolge. Jouissante sagte: »Wir gehen die Slums besuchen.« Und Incolore erklärte: »Wir bilden eine kleine Gruppe und besuchen den Koboldmarkt.« Und Galiagante selbst fragte gleichmütig: »Hast du Lust mitzukommen?«
    »Ja«, sagte Jane, »warum nicht? Ja, ich komme mit.«
    »Ich komme ebenfalls mit«, erklärte Rocket grimmig.

    Die Gesellschaft bestand aus sieben Personen: Galiagante mit Jouissante und Incolore in einem nicht eben ausgewogenen Gleichgewicht an jedem Arm, Rocket, Jane selbst und zwei Elfen aus einem der niedrigeren Häuser, Floristan und Esplandian, die eher Funktionäre und keine eigentlichen Gäste waren. Diener holten die Mäntel. Jane und die anderen Fatas zogen die Kapuzen hoch, so daß sich nur das schmale Oval der Gesichter zeigte. Sie alle trugen weiße Masken.
    Sie fuhren mit dem Aufzug zur Straße hinab, die Funktionäre nahmen eine Abkürzung, und die ganze Gesellschaft schlenderte gemächlich auf den Koboldmarkt.
    »Meine Herrschaften, meine Herrschaften, meine Herrschaften!« rief ein Kobold-Marktschreier.
    Schlechte Discomusik ergoß sich aus betagten Lautsprechern, irgendwelches Gesinge und monotones Baßgedröhn. Galiagante winkte, der Kobold trat beiseite, und sie betraten ein Foyer mit Spiegelwänden.
    Banknoten knisterten und seufzten. Sie wurden in einen kleinen dunklen Raum mit einer Leinwand gebeten. Der Linoleumboden klebte unter den Füßen. Auf der Leinwand kaute der vergrößerte Kopf eines Kobolds geräuschvoll Essen. Sie stellten sich in den Hintergrund und sahen zu, wie Beefsteaks, Bananen, Zwiebeln, Schokoriegel und endlose Schüsseln mit heißem Haferschleim in diesem riesigen Maul verschwanden oder in feuchten Klumpen wieder heraustropften. Es gab nur wenige Besucher in den engen Sitzreihen.
    Janes Schläfen wollte gerade im Rhythmus des Soundtracks mitpochen, da schritt Galiagante plötzlich zur Rückwand und warf die Feuerschutztür auf. Sie folgten ihm einen Korridor

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