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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Kopf fest.
    Er streckte die Zunge heraus und schob sie ihr wie einen Schlüssel, der in ein Schloß glitt, in den Mund.
    Sie öffnete den Mund bei der ersten Berührung.
    Während die Zunge des Baldwynn herumsuchte, veränderte sich alles - der Ballsaal, die Zwerge, sogar der Baldwynn selbst. Alles verzerrte sich und schmolz dahin wie Wachs in Karbolsäure. Jane hob sich der Magen. Sie erlebte ein verwirrendes Schwindelgefühl, wie sie es noch nie zuvor verspürt hatte. Es war, als würde sie durch eine Dimension gedreht, die für die Sinne undurchdringlich war. Der Raum löste sich auf und wurde zu einem anderen.

    »Jane?«
    Sie wandte sich nicht um. Wie hypnotisiert von dem entsetzlichen Ding dort starrte sie das Fenster an. Die Scheiben hatten Schmutzstreifen, und auf dem Fensterbrett lagen die leeren Hüllen toter Stubenfliegen. Die kreideweiße Farbe auf dem Holz brach in scharfen Flocken ab, wenn man fest genug mit dem Daumen darauf drückte. Gleichzeitig stach es auch fest genug in die Haut, daß es schmerzte, aber nicht genügend, daß es blutete.
    Aber das hatte mit dem entsetzlichen Ding nichts zu tun.
    »Ich habe dir leckeres Obst gekauft«, sagte Sylvia. »Äpfel und Bananen. Und Mentholzigaretten, deine Marke, die du so magst, hundert Stück diesmal. Ich habe sie der Stationsschwester gegeben, und es wäre schön, wenn du mir sagen könntest, wieviel du eigentlich rauchst. Ganz bestimmt klaut sie welche.«
    Der Himmel hing tief, aber es sah nicht nach Regen aus. Es sah so aus, als bliebe er auf immer grau und bedeckt. Die Aussicht von hier war häßlich, obgleich sie nicht häßlich sein sollte. Die hügeligen Parkanlagen existierten nur, um alle zwei Tage gemäht zu werden. Und sie wurden so kurz geschoren, daß man von hier oben die nackte Erde durch die Stoppeln sah. Sie vermutete, daß man Angst hatte, ein Grashalm könnte sich vielleicht kurzfristig erheben und frei wachsen. In Janes Augen war der Rasen das vollkommene Symbol der Unterdrückung. Aber auch er war nicht das entsetzliche Ding.
    »Setz dich auf die Bettkante, und ich bürste dir das Haar.«
    Da wandte Jane sich ihrer Mutter zu. Wie erschöpft Sylvia aussah, wie unglücklich, wie alt! Sie hatte den tapferen Gesichtsausdruck, den sie beim Eintreten stets zeigte, jenes zuversichtliche Alles-ist-in-Ordnung-Lächeln, dem die erschöpfte Traurigkeit der Augen nur zu deutlich widersprach.
    Jane ging zum Bett und setzte sich. Ihr Körper war schwer, massig, ungeschickt. Zu verdanken war dies der stärkehaltigen Kost, dem Mangel an Bewegung sowie der Tatsache, daß niemals irgendein Grund dafür bestanden hatte, sich nicht gehen zu lassen.
    Sylvia setzte sich neben sie, holte eine Bürste heraus und machte sich daran, Janes Haar in Ordnung zu bringen. Wie die Hände flogen! Während Jane über die Hände nachsann, stellte sie sich vor, wie anmutig ihre Mutter in ihrer Jugend gewesen sein mußte, wie fröhlich und kokett, ehe ihr Jane aufgebürdet worden war. »Ich habe neulich Tante Lilian besucht«, sagte Sylvia leichthin. »Sie hat erzählt, daß Albert wieder zu seiner Frau zurückkehrt, kannst du dir das vorstellen? Das ist das wievielte - das dritte Mal? An dieser Beziehung stimmt was nicht, wenn du mich fragst, etwas mehr, als unmittelbar ins Auge springt.« Sie hielt inne, um sich eine Zigarette anzuzünden, und beäugte Jane kritisch. »Soll ich dir das Haar zu Zöpfen flechten?«
    Mama, versuchte sie zu sagen, ich möchte heim.
    Aber kein Wort kam heraus.
    Es kam nie ein Wort heraus.
    Sie hob den Kopf ein wenig und starrte wiederum das Fenster an. Obgleich es aus diesem Blickwinkel nicht sichtbar war, sah sie im Geist das entsetzliche Ding, das sie angestarrt hatte, als ihre Mutter hereingekommen war. Es war das eigene Spiegelbild. Das aufgedunsene runde Gesicht, das nachlässig aufgelegte Make-up, die traurigen dunklen Augen. Ein Gesichtsausdruck, der besagte, daß ihre Aufmerksamkeit Millionen von Lichtjahren entfernt war.
    Plötzlich fiel Jane ein, daß die Dinge sich nicht bessern würden. Sie saß in der Falle. Sie würde für immer in dieser Anstalt bleiben, langsam älter und schwerer werden, ihrer Mutter den Lebenssaft einen Tropfen nach dem anderen aussaugen, bis nichts mehr vorhanden wäre. Dann gäbe es keine weiteren Besuche mehr. Sie wäre allein, verfiele, würde insgeheim immer verbitterter und ginge langsam zugrunde.
    Ihr kamen die Tränen.
    Erstaunt ließ ihre Mutter die Bürste los. Sie fiel laut klappernd zu

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