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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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recht. Uns bleibt nicht viel Zeit. Wir müssen unsere Vorbereitungen so bald wie möglich abschließen.«
    »Ich weiß, was du haben willst, und du kannst es vergessen. Nicht heute nacht.«
    »Heute nacht«, beharrte der Drache. »Ich brauche mehr.«
    »Mehr? Bis jetzt muß ich dir bald einhundert Namen gegeben haben. Verdammt, wieviel brauchst du denn?«
    »Ich werd’s dich wissen lassen, wenn’s genügend sind.«
    Jane mußte ein Drehbuch durchgehen und einigen Text lernen. Drei aufeinanderfolgende Nächte hindurch war sie spät zu Bett gegangen, und das machte sich allmählich an ihrem Teint bemerkbar. Sie hatte sich selbst gegenüber das Versprechen gegeben, heute früh zu Bett zu gehen, eine Schlammpackung aufzulegen und einen Schundroman zu lesen. »Hab keine Lust. Du kannst eine Nacht lang verzichten.«
    »Zerstörung«, sagte der Drache, »ist mein ein und alles. Deine Schreie wären für mich wie Speise und Trank, deine Marter wäre süßer als das Blut Unschuldiger, dein langsamer Tod eine lebenslange Freude. Glaub bloß nicht, daß du als einzige Opfer gebracht hast. Willst du die Göttin oder nicht? Das wird eine knifflige Angelegenheit, und ich möchte mit voller Stärke gegen sie angehen. Wenn du gegen eine Zusammenarbeit bist, dann sag es, und ich stecke zurück. Ich mag noch nicht die Macht haben, die Lady zu töten, aber ich habe mehr als genug Macht, die Stadt und alle Bewohner zu zerstören.«
    Der Gestank nach Entrüstung und kaltem Eisen lag über dem Apartment.
    Jane seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. Diese Auseinandersetzungen verlor sie stets. Vielleicht wollte sie sie auf irgendeiner unbewußten Ebene auch verlieren. Da sie innerhalb der Aura des Drachen lebte, wurden seine Leidenschaften von ihrem Körper vielleicht in Verlangen umgedeutet. Auf jeden Fall hatte sich die Kleine Jane auf die Seite Melanchthons geschlagen. Und es ließ sich nicht leugnen, daß ihre Pflichten in dieser Phase der Verschwörung weniger lästig waren, als sie erwartet hatte.
    »Ich hab morgen früh eine Aufnahme«, sagte sie. Ihre Betreuer benötigten publicityträchtige Aufnahmen für eine Image-Verbesserung. Soweit es Jane beurteilen konnte, war ihr neues Image dasselbe wie ihr altes, nur in rotem Leder statt in schwarzem. Aber zwei Wochen Planung waren umgestoßen worden, um Zeit für eine Reihe von Aufnahmen zu schaffen. Nun, sie könnte beim Frühstück ein Amphetamin einwerfen. So lange sie das nicht zur Gewohnheit machte ... »Ich könnte vermutlich jemanden in der Bar aufgabeln.«
    »Meine kleine Nutte«, sagte Melanchthon anerkennend.

    Am Ende der Aufnahme, während die Assistenten des Fotographen die Ausrüstung zusammenpackten, kam Corinde herüber, nahm seinen Spazierstock beiseite und legte Jane einen Arm um die Schulter. Corinde war der einzige wirklich ausgemergelte Elf, dem Jane je begegnet war; eine Vogelscheuche in Schwarz und dazu ein solches Bündel an Manieriertheiten, daß eine Einschätzung der wahren Persönlichkeit darunter schwerfiel. Es ging das Gerücht, er sei überhaupt kein Elf, sondern irgendeine sozial aufgestiegene Abart eines Nachtgaunt, und es stimmte gewiß, daß ihn Jane niemals in natürlichem Licht gesehen hatte. Doch er hatte sie stets gut behandelt.
    Corinde steckte den Spazierstock elegant unter einen Arm und sagte: »Meine Liebe, ich muß dir das einmal sagen. Ich habe mit den Besten gearbeitet - und du kennst mich, ich schmeichle niemandem, wenn ich es vermeiden kann -, den absolut Besten, und in den ganzen Jahren habe ich niemals so etwas wie bei dir heute gesehen. Du warst ganz einfach gräßlich .«
    »Tut mir leid, ich ...«
    »Ja, ja, ja. Sex, Drogen und Glamour. Du glaubst, ich hätte kein Verständnis dafür? Du mußt in alle tollen Klubs gehen, diese hübschen jungen Männer mit nach Hause nehmen und das tun, was du eben mit ihnen tust.« Janes Miene blieb ausdruckslos. »Glaub mir, mein Zuckerstückchen, ich verstehe vollkommen. Aber hör mir mal zu. Dein Wohlstand und dein Bekanntheitsgrad - sie sind entgegen allen Erwartungen einfach nur geborgt. Sie können sich in Luft auflösen. Du hast sie noch nicht verdient. Es ist wie ein Schuß Speed.« Er hob bedeutungsvoll die Brauen. »Du fühlst dich für wer weiß wie lang großartig und tatkräftig. Du siehst wundervoll aus. Du lebst wie eine Fürstin. Aber früher oder später mußt du zusammenklappen. Und dann wirst du die Zeche bezahlen, auf Heller und Pfennig. Kannst du mir folgen?«
    »Ja, ich ...

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