Die Tochter des stählernen Drachen
wurden sie ausgesprochen. Wenn sie nicht aufpaßte, schweiften ihre Gedanken ab, trieben ins Weltall hinaus, während er eintönig immer weiterredete. Der bleiche Mann hatte nichts dagegen. Es machte ihm nicht das geringste aus. Er war ein Waldwesen, und nachdem er aus seiner ihm angemessenen Umgebung vertrieben worden war, war er so schwach und dünn geworden, daß er fast überhaupt nicht mehr vorhanden zu sein schien. Es gab eine natürliche Stärke und Lebenskraft, die alle anderen lebenden Dinge besaßen, und diese ging ihm völlig ab.
Ohne in seiner Lektion innezuhalten, zog er eine schlaffe Zigarette aus einer Packung in seiner Hemdtasche, glättete sie zwischen zwei Fingern, steckte sie sich in den Mundwinkel und klopfte sich die Tasche nach einem Streichholz ab.
Sie seufzte. Der Horizont draußen vor dem Fenster war eine gezackte Line aus winterlich zerzausten Bäumen. Sehnsüchtig dachte sie an Ratsnickle und das Einkaufszentrum.
Aber sie hatte 7332 ein Versprechen gegeben. Wohnung, Schutz und die Nahrung, die auf seine Veranlassung und durch eine technologische List zweimal die Woche an die Tür geliefert wurden, waren nicht umsonst. Der Drache benötigte einen Ingenieur, wenn er jemals wieder so weit repariert werden sollte, daß er seine volle Kraft zurückerhielt; in ihrem gegenwärtigen unwissenden Zustand war sie für ihn nutzlos. In Janes Augen war es ein fairer Handel, eine Verknüpfung der jeweiligen Bedürfnisse. Nachhilfestunden beim bleichen Mann waren ein Teil des Preises, den sie zu zahlen hatte.
»Entschuldigen Sie«, warf sie zögernd ein, »aber welchen Einfluß üben diese kleineren Planeten auf unser Verhalten und unser Schicksal aus? Ich meine, Sie wissen schon, astrologischen Einfluß?«
Er sah sie an. »Keinen.«
»Überhaupt keinen?«
»Nein.«
»Aber wenn die Planeten unser Schicksal berühren ...« Angesichts des leidenschaftslos verächtlichen Ausdrucks auf dem Gesicht des bleichen Mannes, des langsamen Kopfschüttelns, hielt sie stockend inne. »Sie stimmen doch gewiß der These zu, daß die Planeten unser Schicksal befehligen und bestimmen?«
»Tun sie nicht.«
»Überhaupt nicht?«
»Nein.«
»Was dann? Wodurch wird unser Schicksal bestimmt, meine ich.«
»Die einzigen externen Kräfte, die irgendeinen Einfluß auf uns haben, sind jene, die wir alle Tage sehen können: das Lächeln, das Stirnrunzeln, die Faust, die Ziegelmauer. Was du ›Schicksal‹ nennst, ist lediglich ein semantischer Trugschluß, die Unterstellung eines Zwecks, wo es sich um blinden Zufall handelt. Da wir alle dazu gezwungen sind, uns dem Fluß zufälliger Ereignisse zu widersetzen, werden wir einzig und allein von inneren Neigungen und Kräften getrieben.«
Jane stürzte sich auf letzteres. »Dann wollen Sie also sagen, daß unser Schicksal in uns selbst liegt, nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn es so wäre, müßte es extrem klein sein und unmöglich weit entfernt liegen. Ich würde dir nicht vorschlagen, irgendwelches Zutrauen in eine derart unbedeutende Entität zu setzen.«
Eisiger Nihilismus entfaltete sich um Jane herum. Er erstreckte sich in alle Richtungen in die Unendlichkeit, eine vollkommene Kugel, die das gesamte Universum umfaßte. Diese Existenz, mit der der bleiche Mann sie konfrontierte, schien unvorstellbar, ungeordnet, quellenlos, ohne Zweck oder Ziel. Und dennoch: er stand offensichtlich völlig jenseits der Illusion, des Trostes oder des Verlangens, und daher konnte sie sich einfach nicht vorstellen, daß er sie belog. Warum sollte er sich die Mühe machen? »Aber alle, die ich kenne, glauben an planetarische Einflüsse.«
»Ja. Das tun sie.«
Sie wartete, doch er führte das nicht weiter aus. »In der Einführung in die Astrologie sagen sie uns, daß jede Person einen Schutzstern und daß jeder Stern sein eigenes Mineral, seine eigene Farbe und seinen eigenen musikalischen Klang hat. Ebenso auch eine Pflanze als Heilmittel für die Krankheit, die von der Verfinsterung des Sterns hervorgerufen wird.«
»Alles unwahr. Die Sterne kümmern sich nicht im geringsten um uns. Unser völliges Aussterben würde ihnen nichts bedeuten.«
»Aber warum?« rief Jane. »Wenn es nicht stimmt, warum würden sie uns das beibringen?«
Eine dürre Fingerspitze tippte auf eine Buchseite, nicht ungeduldig, sondern schulmeisterhaft. »Alle Lehrgänge erfordern Lehrbücher, Diagramme und Lernhilfen. Als die Information, die als Astrologie verschlüsselt wurde, in Mißkredit kam und
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