Die Tochter des Teufels
…«
»Niki! Niki!« Sie kniete neben ihm, umklammerte seinen Kopf und drückte ihn an sich. »Was ist denn?« schrie sie. »Was hat man dir getan? Warum? Warum? Wer war es denn?« Dann sprang sie auf, und jetzt konnte sie schreien, so laut und grell, daß sich Türen und Fenster öffneten, ein Steward und zwei Offiziere die Treppen heraufgerannt kamen.
Nikolai Gurjew schwankte … er war zu schwer, als daß ihn Nadja halten konnte, mit ihr fiel er auf den Rücken. Sie umarmte ihn, sein Blut floß über sie, sie küßte ihn und sah, wie seine Lippen weiß wurden und der Blick seiner Augen von einem Schleier überzogen wurde.
»Paris …«, sagte Nikolai. »Paris wird schön sein, Nadjuscha … du wirst es erobern … ich weiß es … Paris wird dir zu Füßen liegen … in dir ist das ewige Leben … du bist das Leben … das schöne Leben … Leben …«
Bis zum Morgen kämpften drei amerikanische Ärzte und zwei russische Emigrantenärzte um das Leben Nikolai Gurjews. Vier Blutübertragungen bekam er, man operierte ihn mit einem fast verbrecherischen Mut, indem man seinen Brustkorb öffnete … umsonst war's. Der lange Dolch hatte den Herzbeutel durchtrennt; Nikolai Gurjew verblutete nach innen, und niemand konnte das Schicksal aufhalten.
Als endlich zum erstenmal wieder Land am Horizont auftauchte, die Küste Arabiens, das Zauberland aus seinen Jugendträumen, starb Nikolai Gurjew, seine Hände in den Händen Nadjas. Er lächelte im Tod.
Zum erstenmal konnte ich dir helfen, Nadjuscha …
Mit bunten Fahnen an den Masten lief die George Landon im Hafen von Aden ein. Es war ein heißer, sonniger Tag. Die Boote der Hafenhändler umschwirrten das große Schiff. An der Reling standen die Passagiere und winkten.
Nur ein kleiner Kreis wußte vom Tod Nikolai Gurjews. Nur die Ärzte, die Offiziere und drei Stewards. Und sie schwiegen auf Befehl von Kapitän McLydd.
Drei Tage lang kämpfte Nadja verbissen um den Körper Nikolais. Wie eine Tigerin hockte sie in der Kabine.
»Er kommt mit nach Paris!« schrie sie, wenn die Ärzte und Kapitän McLydd sie überzeugen wollten, daß es unmöglich sei, eine Leiche durchs Rote Meer, den Suezkanal und das Mittelmeer bis nach Marseille mitzuschleppen. »Er hat sich auf Paris gefreut – und er soll in der Erde von Paris begraben werden!«
»Es ist unmöglich, Madame, einen Toten so lange aufzuheben!« schrie McLydd, den die Geduld verließ.
»Balsamieren Sie ihn ein!« rief Nadja. »Es sind doch genug Ärzte an Bord!«
»Wir sind ein Passagierschiff, aber keine Präparieranstalt!« brüllte McLydd. »Nach dem Gesetz muß der Tote im Meer bestattet werden.«
Aber dann, am vierten Tag, draußen schien die Sonne mit vierzig Grad Glut, und der süßliche Geruch von Nikolais Körper betäubte sie fast, gab sie nach. Sie nickte nur, als Dr. Wladimorow, ein Arzt aus Irkutsk, wieder ins Zimmer kam.
»Nehmen Sie ihn, Stepan Iwanowitsch«, sagte sie müde. »Ich trage Niki in meinem Herzen … nehmt seinen Körper …«
In der Nacht, als alles auf dem Schiff schlief, wurde Nikolai Gurjew im Roten Meer versenkt. Man hatte ihn in ein großes Segeltuch eingenäht und ihn mit Bleiplatten beschwert. Dort, wo sein Herz sein mußte, hatte man ein kleines Kreuz unter die Stricke geschoben. Ein Pope aus dem C-Deck sprach ein Gebet, segnete den toten Leib und segnete Nadja, die wie erstarrt an der Reling stand und ins Meer sah.
Dann hoben vier Stewards das lange Paket über die Reling, die amerikanischen Schiffsoffiziere grüßten, der Pope hob das Doppelkreuz hoch empor in den Nachthimmel … langsam glitt Gurjew durch die Hände der Stewards, neigte sich und fiel ins Meer. Klatschend schlug er auf, die Wellen öffneten sich vor ihm, so sah es aus, und dann rollten wieder die Wogen dahin, und Nadja dachte an die unendlichen Felder der Ukraine und die maßlosen Urwälder der Taiga.
»Bitte, Madame …«, sagte Kapitän McLydd mit heiserer Stimme. Er reichte ihr einen Kranz hin, den Matrosen geflochten hatten.
Nadja nickte. Mit einem weiten Schwung warf sie ihn ins Meer, und er schaukelte über dem Grab Gurjews, bunt und erschreckend fröhlich wie eine Demonstration, daß das Leben weiterging.
Später stand Nadja allein an der Reling, die George Landon zog entlang der arabischen Küste durch das Rote Meer, und sie sah in die Wellen und hatte das Gefühl, daß Nikolai sie begleite und immer begleiten würde.
»Du bist in mir, Niki!« rief sie den Wellen zu. »Du bist unauslöschlich
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