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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Japanische Meer. Die bolschewistischen Kanonenboote waren am Hafenausgang verschwunden, man sah sie später wieder auf freier See im Funkverkehr mit zwei japanischen Kreuzern, die außerhalb der russischen Hoheitsgewässer wie in Wartestellung lagen.
    Die Passagiere standen alle an der Reling, die dem Land zugekehrt war, und starrten stumm hinüber auf das zurückbleibende Rußland. Auch Nikolai und Nadja standen oben an Deck, das Kind auf den Armen zwischen sich, und blickten zurück auf die Erde, die sie nie wieder betreten durften.
    Ein Block bunter Uniformen auf dem Promenadendeck … das war die Ansammlung der Generäle. Einige der Damen weinten leise, die Spitzentaschentücher knisterten. Unten, auf dem C-Deck und an den Ladeluken, standen die einfachen Leute, in zerrissenen, schmutzigen Kleidern, einige Männer mit Verbänden, die Frauen mit großen Kopftüchern. Auch sie verloren in dieser Stunde ihre Heimat, und sie fuhren in die Fremde ohne Pläne und ohne Verbindungen, nur vertrauend auf ihre Hände und die Zähigkeit ihrer arbeitsgewohnten Körper.
    »Leb wohl, Rußland …«, sagte Nadja leise und lehnte den Kopf an Nikolais Schulter. Sie weinte jetzt, und die kleine Helena wischte mit spitzen Fingerchen die Tränen von Nadjas Wange, wenn sie wie kleine Perlen herunterliefen. »Leb wohl, Väterchen Grigori …«
    Das Schiff zitterte. Der Hafen lag hinter ihm, das freie Meer rollte heran. Wladiwostok war nur noch ein dünner Streifen am Horizont … die Arme der Kräne sahen aus wie aufrecht stehende Haare auf einem lockigen Kopf. Ganz in der Ferne, blau im Himmel schwebend, leuchteten unwirklich, die Berge von Sutchan. Noch einmal heulte die Schiffssirene … Abschied, Abschied, Abschied …
    Vier Wochen stampfte die George Landon durch das Meer. Die Weite von Wasser und Himmel war bedrückend; oft standen Nikolai und Nadja an ihrem Kabinenfenster oder oben auf den Decks und sahen zum Horizont, faßten sich an den Händen und empfanden das gleiche: Wir schwimmen ins Ungewisse. Die Unendlichkeit saugt uns auf. So unbekannt wie das, was sich dort hinter dem Horizont verbirgt, so ungreifbar ist auch unsere Zukunft. Ein völlig neues Leben muß beginnen. Und es wird zögernd und tastend beginnen wie die ersten Schritte eines Kindes, und keiner wird dasein, der uns helfend an die Hand nimmt.
    Unbeachtet von allen anderen Passagieren lebte ein langer, dürrer Mensch in einer dunklen, kleinen Kabine auf dem B-Deck. Er verließ selten seine Kammer und ließ sich sein Essen, meistens nur eine Suppe, an die Tür bringen, wo er sie in Empfang nahm, ohne daß der Steward die Kabine betreten konnte.
    Man hätte sich auch sehr verwundert, wenn man diese Kabine B 86 betreten hätte. In eine kleine Kirche war sie umgewandelt … ein Altar aus sechs Ikonen war errichtet, an den Wänden hingen mit religiösen Motiven bestickte Vorhänge, zwei Leuchter warfen flackerndes Kerzenlicht in den sonst abgedunkelten Raum … und hier kniete Genjka, der irre Mönch aus Petersburg, Stunde um Stunde, Tag um Tag und Woche um Woche und betete, schwang sein Weihrauchkesselchen gegen die Ikone und fragte Gott, wann der Tag der Rache kommen sollte.
    Vier Wochen kniete er vor den Ikonen, unter sich das Schwanken des Schiffes und das dumpfe Stampfen der Motoren, vier Wochen quoll der Weihrauch gegen die vergoldeten Bilder von Christus und den Erzengeln, als Genjka plötzlich aufschrie und die Arme weit ausbreitete.
    »Herr! Ich danke dir!« schrie er hell. »Du gibst mir den Befehl! Die Stunde ist da! Die Stunde ist da! Dein Zeichen habe ich erkannt.« Er starrte mit flimmernden Augen auf die Ikone, die Christus zeigte. Die Nähe der Kerzen und die Hitze hatten die Ölfarbe angegriffen. Die Augen Christi hatten sich geschlossen. Farbe aus der Dornenkrone und der Stirn war über die Lider geflossen, und nun sah es aus, als habe Christus keinen Blick mehr, wie ein Blinder, dessen Pupille farblos ist.
    Genjka, der irre Mönch, faltete die Hände und legte seine Stirn darauf. Durch seinen Körper flog ein heftiges Zittern. Für ihn war es das Zeichen Gottes, auf das er seit fast fünfzehn Jahren gewartet hatte, seit er in der Kathedrale St. Isaak in Petersburg den Auftrag bekommen hatte, alles, was Rasputin heißt, von dieser Erde zu tilgen.
    Bis zum Abend lag Genjka vor seinem Altar, betete, aß nichts mehr und bereitete sich auf die große Stunde seines Lebens vor. Dann kleidete er sich in sein Festtagsgewand, kämmte sich, ordnete den Bart

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