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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Beutel.
    »Um Himmels willen, was tust du da!« sagte Gurjew entsetzt. »Du bestiehlst einen Toten …«
    »Die Steine! Sollen die Bolschewisten sie bekommen?«
    »Es ist schaurig, schaurig, Nadja …«
    Sie öffnete den ledernen Beutel und fand darin nichts als ihre Brillanten. Nur noch drei waren es … die anderen hatte Bubka verkauft und das Geld auf dem Schiff verteilt. Diese drei waren sein Anteil gewesen.
    Nadja schüttelte die drei funkelnden Steine in die hohle Hand und ließ sie dann in ihren eigenen Brustbeutel rollen, den sie aus ihrem Kleid hervorzog. »Ich tue es für uns, Niki …«, sagte sie tief atmend. »Für dich und Helena … Dem armen Bubka helfen die Steine nichts mehr, aber für uns können sie das Leben bedeuten …« Sie richtete sich auf, nahm das Kind wieder in ihre Arme und trat zurück von der Tür und dem Toten. »Mit solchen Steinen habe ich dich von Minajew freigekauft …«
    Gurjew nickte. Er warf die Koffer wieder über seine Schultern, und dann rannten sie weiter, dem Hafen zu.
    Der gute Aaron Bubka hatte alles bestens vorbereitet … nicht im Laderaum, versteckt wie blinde Passagiere, heimlich verpflegt von den Eingeweihten, mußten Nikolai und Nadja ihre Heimat verlassen. Bubka hatte eine Kabine aufgetrieben, was an sich schon ein Wunder war – aber daß es sogar eine Kabine erster Klasse war, schien geradezu unbegreiflich. Hier war der Tod zu Hilfe gekommen: Die Gräfin Schemanowsky , eine achtzigjährige Dame, war einem Herzschlag erlegen, als das Bombardement auf die Stadt begann und zuerst die Gegend brannte, in der ihr Palais lag.
    »Das Schiff fährt nach Genua und weiter nach Marseille«, sagte Gurjew, als er zurück in die Kabine kam, wo Helena gerade gegessen hatte und auf dem breiten Bett herumkrabbelte. »Ich hatte mit dem Kapitän eine lange Unterhaltung. Weißt du, wer auch an Bord ist? Der Gouverneur Okoschkin. Er gibt heute abend einen Ball im großen Saal.«
    »Einen Ball … und draußen brennt die Stadt?«
    »Maria Petrowna, seine Frau, hat Geburtstag.« Gurjew setzte sich schwer auf die Bettkante. Die kleine Helena rutschte zu ihm und richtete sich an ihm auf, indem sie sich an seinem Rock festkrallte und sich auf unsicheren Beinchen emporzog. »Wenn man das sieht, Nadjuscha … wenn man durch das Schiff geht … es ist alles so gespenstig.« Nikolai wischte sich über die Augen. »Wie in einem Panoptikum ist es. Exzellenz … Euer Durchlaucht … Gräfin … Wo ist der Fürst? … Seine Hoheit haben gestern noch gesagt … Und dann stehen sie alle an der Reling, sehen hinüber auf die Stadt und philosophieren über die Intelligenz des Volkes und sein Unvermögen, Staaten zu regieren. Es ist schrecklich, Nadja … das Schiff ist voll von hölzernen Köpfen …«
    »Und du, Niki?« Nadja wusch sich die Hände. Eine Schürze trug sie, und sie sah aus wie eine Bäuerin und nicht wie die Bewohnerin einer Erster-Klasse-Kabine.
    »Ich habe lange gebraucht, um zu erwachen«, sagte Gurjew leise. »Mein Gott, wie faul war das alles! Warum hat man diese Fäulnis nicht schon längst gerochen?«
    »Sie haben alle gutes französisches Parfüm gehabt.«
    »Sollen wir nicht doch in Rußland bleiben, Nadjuscha?«
    »Damit die Roten dich töten?«
    »Was sollen wir im Ausland, zusammen mit diesen Mumien und Verfaulenden?« Gurjew sprang auf. »Der Kapitän fragte mich, wo wir aussteigen wollen. In Genua oder in Marseille. Und ich wußte keine Antwort.«
    »In Marseille.« Nadja kämmte sich die langen Haare und steckte sie auf.
    »Und was sollen wir dort?«
    »Wir fahren weiter nach Paris.«
    »Und in Paris?«
    »Leben!«
    »Als Reitlehrer und Eintänzer?«
    »Wenn es sein muß, als Straßenkehrer. Aber leben, Niki!« Sie sah ihn im Spiegel mit ihren großen faszinierenden Augen an. »Wir wissen doch jetzt, wie göttlich dieses eine Wort ist: Leben!«
    »Nach Paris wollen die anderen auch.« Gurjew riß sich den Kragen auf, als ersticke er. »Alle wollen nach Paris! Und sie haben Pläne … wahnsinnig wie ihr bisheriges Leben!«
    »Wir werden nichts von ihnen merken, Niki. Paris wird sie aufsaugen. Paris ist wie ein Schwamm. Ich hatte eine Erzieherin in Zarskoje Selo, die kam aus Paris. Viel hat sie uns erzählt von dieser Stadt, in der man aufgeht, weil man sie lieben muß. Ich glaube, wir werden in Paris unser kleines Paradies finden …«
    Pünktlich um zwölf Uhr mittags heulten die Schiffssirenen, und die George Landon setzte sich in Bewegung in Richtung auf das

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