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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… wie ihr Mund schreit … sie erstickt ja, sie erstickt … helft ihr … helft! Stürmt die Bühne, rettet sie, sie bekommt die Schlangenhaut nicht herunter …
    Ein Stöhnen quoll im Saal auf. Knirschend zerriß der grünschillernde Stoff über der Brust von La Russe … und jetzt schrie sie wirklich, hell und triumphierend, und ihr Schrei blieb in den Herzen der Männer hängen …
    Und das Licht erlosch.
    Als es kurz darauf wieder aufflammte, rauschte Lachen und Beifall auf, trampelte man auf den Boden und rief im Chor: »La Russe! La Russe! La Russe!«
    Aber die schönste Frau von Paris erschien nicht mehr auf der Bühne.
    »Das ist einmalig«, sagte jemand, der an Cassini vorbei zur Bar ging. Es war ein kleiner, vor Erregung schwitzender, kurzatmiger Mann. »Das kann einen an den Rand eines Herzschlags bringen! So etwas von Ausdruckstanz …«
    Cassini nickte stumm und ging langsam hinaus in das Foyer. Dort wartete der Oberkellner Bonnet auf ihn und brachte ihm eine Schachtel Zigaretten, als habe Cassini sie bestellt.
    »Nun?« fragte Cassini. »Führen Sie mich jetzt zu ihr?«
    Bonnet wischte sich über die Stirn. »Es ist unmöglich, Monsieur. Der Bühnenmeister ist unbestechlich. Aber was ist Ihnen ein Tip wert?«
    »Wenn ich dadurch diese Frau sprechen kann … fünfhundert Francs, wie abgemacht.«
    »Ich kann Ihnen nur einen Hinweis geben, Monsieur. La Russe verläßt heute zwischen den beiden Auftritten das Haus. Sie hat sich schon abgeschminkt und zieht sich um. Das hat sie noch nie getan. Es ist eine einmalige Chance, Monsieur.«
    Cassini nickte. »Sie sind ein Menschenfreund, Bonnet. Ihre fünfhundert Francs liegen noch unter dem Champagnerglas.«
    Bonnet verbeugte sich tief. Mit hochgezogenen Brauen sah er zu, wie Cassini zum Ausgang lief, sich seine Garderobe geben ließ, den mit weißer Seide gefütterten Frackmantel lässig über die Schulter warf und das Moulin Rouge verließ, als verfolge ihn jemand.
    »Nie wird er sie sprechen! Nie!« sagte Bonnet laut. »Das haben schon ganz andere versucht …«
    Auf der Place Blanche, gegenüber dem Moulin Rouge, fand Cassini zwar seinen Wagen, aber der Chauffeur war weggegangen und saß sicherlich in einem der kleinen Lokale am Boulevard de Clichy . Vor vier Uhr morgens kam Cassini nie aus einer Bar, das wußte der Chauffeur.
    »Um so besser!« sagte Cassini zu sich. Er suchte in seiner Fracktasche nach seinem Schlüsselbund, fand daran auch den Ersatzschlüssel des Wagens, schloß ihn auf und setzte sich hinter das Steuer.
    Er wartete eine halbe Stunde und wollte schon ärgerlich aussteigen und Bonnet die fünfhundert Francs wieder abnehmen, als er La Russe aus einem Seitenausgang des Moulin Rouge kommen sah. Er erkannte sie sofort, auch wenn sie völlig anders aussah als auf der Bühne. Die langen Haare waren aufgesteckt, sie trug einen einfachen Trenchcoat, hatte den Kragen hochgeschlagen und die Hände tief in den Taschen vergraben. Nur die Beine verrieten sie … lange, schlanke Beine in hochhackigen Riemenschuhen, und als sie jetzt über das Pflaster ging zum Taxistand, hörte man kaum das Klappern der Absätze, so leicht und federnd war ihr Gang.
    Cassini ließ den Motor an und beobachtete im Rückspiegel, wie La Russe in ein Taxi stieg. Sie nahm nicht den Wagen, der vorn stand und an der Reihe war, sondern den vorletzten, und merkwürdigerweise protestierte keiner der Fahrer. Sie machten ihrem Kollegen Platz und ließen ihn aus der Reihe heraus.
    Cassini ließ das Taxi an sich vorbeifahren, dann setzte er sich hinter sie, pfiff vor sich hin und gestand sich ein, daß er nicht vor Vergnügen pfiff, sondern vor innerer Erregung. Eine ungeheure Spannung lag über ihm … nur selten hatte er sich so angespannt gefühlt, nicht einmal an den großen Börsentagen, wo es um Millionen ging, um Triumph oder Untergang des privaten Bankhauses ›Cassini und Sohn‹.
    In dem Taxi lehnte sich La Russe in die Polster zurück und faltete die Hände. Als blendeten sie die Lichter der Leuchtreklamen, schloß sie die Augen und seufzte leise. Der Fahrer sah sie im Rückspiegel an.
    »Was haben Sie, Nadja Grigorijewna?« fragte er auf russisch. »Ist etwas schiefgegangen?«
    »Danke, Boris Michailowitsch. Nein, es war wie immer.« Nadja Gurjewa zog die Schultern hoch, als fröre sie. Dabei war es eine ziemlich laue Frühlingsnacht. »Ob Dr. Rampal zu Hause ist?«
    »Wo soll er um diese Zeit sein?« Der Chauffeur gab mehr Gas. Klappernd hüpfte der Wagen über das

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