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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und steckte in den Gürtel unter seine Soutane einen langen, gebogenen mongolischen Dolch. Noch einmal schwenkte er das Weihrauchkesselchen über seine Ikone, bekreuzigte sich, sah sich lange, wie abschiednehmend, im Raum um, verließ die Kabine, schloß sie sorgfältig ab und ging hinauf an Deck.
    Eine warme Nacht war's. Man näherte sich der arabischen Küste. In Aden wollte die George Landon zwei Tage ankern, um Frischwasser und Kohlen aufzunehmen, dann sollte die Fahrt weitergehen durch das Rote Meer, den Suezkanal und das Mittelmeer bis Genua und Marseille, dem Ende der langen Fahrt.
    Zwei Menschen kamen die Treppe von den Kabinen herauf und betraten das Promenadendeck. Der Mann hatte seinen Arm um die Schulter der Frau gelegt, und so standen sie an der Reling, sahen in die Nacht und hinab in das schäumende Meer.
    »Morgen früh sollen wir Aden erreichen, sagt der Erste Offizier«, berichtete Nikolai Gurjew gerade. »Wer hätte das gedacht, Nadjuscha, daß wir einmal Arabien sehen? Märchen werden wahr, aber was kosten sie!«
    Nadja legte ihre kühlen Finger auf Nikolais Lippen und drückte sich enger an ihn. Sein starker Arm umfaßte sie, und es war gut, ihn so nah und kraftvoll zu spüren.
    »Ich habe mir gedacht«, sagte sie und ließ den Seewind durch ihr langes Haar wehen, »daß du in Paris zuerst zu den großen Rennställen im Bois de Boulogne gehst. Dort brauchen sie immer gute Reiter zum Trainieren der Turnierpferde. Und wer kann besser reiten als ein russischer Gardeoffizier? Du wirst sehen, Niki … wir werden schnell wieder aus der Einsamkeit herauskommen. Wir werden keine Sorgen haben. Und sechs Brillanten habe ich auch noch …«
    Nikolai Gurjew nickte. Das Problem seines weiteren Lebens hatte ihn wortkarg gemacht. Er fühlte sich völlig unnütz auf der Welt, und das war ein so schreckliches Gefühl, daß man darüber nicht sprechen konnte, auch nicht mit Nadja, die alles als so einfach und rosig ansah. Ihr Mut war ungeheuerlich, ihr Lebenswille glich einem sprudelnden Quell …
    Der irre Mönch Genjka war auf zwei Meter an Nikolai und Nadja herangekommen. In seinem Blick lag ein Haß, der aus einer anderen Welt kommen mußte, denn alles Menschliche hatten diese glühenden Augen verloren. Stumm, mit bebenden Lippen, hob er den langen krummen Mongolendolch und starrte auf den Rücken Nadjas, den er mit einem gewaltigen Stoß durchbohren wollte.
    War es sein heftiges Atmen, war es ein Geräusch, erzeugt vom Wind in dem Segeltuchdach, das eine kleine Bar auf dem Promenadendeck überspannte … Nikolai Gurjew drehte sich um und starrte in die flackernden Augen Genjkas. Sprachlos und erschrocken erkannte er die lange Klinge, die in der hoch erhobenen Faust zuckte … er sah die Gespanntheit des dürren schwarzen Körpers, dieses raubtierhafte Muskelspannen vor dem Sprung, diese Sekunde vor dem tödlichen Aufbrüllen.
    Seine Stimme war gelähmt. Ahnungslos sah Nadja hinauf in den Sternenhimmel und hob sogar den Arm, um auf einen großen glitzernden Punkt zu zeigen. »Sieh, Niki!« rief sie mit ihrer hellen Stimme, und Gurjew wußte, daß er sie zum letztenmal hörte, denn vor diesem gebogenen Mongolendolch gab es kein Entweichen mehr. »Ist es der gleiche Stern, den wir in der Steppe gesehen haben? Er ist heller als alle anderen …«
    Mit weit offenen Augen warf sich Gurjew gegen den Rücken Nadjas, als der Dolch herunterzuckte. Mit seiner Brust fing er den Stoß auf, umklammerte mit seinen Händen den ziselierten Goldgriff und krallte die Nägel in die Handrücken Genjkas.
    Der Irre ließ den Dolch los und warf die Arme empor.
    »Zu Ende!« brüllte er grell. »Zu Ende! Der Antichrist ist stärker! Fliehe, Gott! Flieht, ihr Heiligen! Der Antichrist hat gesiegt!«
    An der entsetzensstarren Nadja vorbei schwang sich Genjka über die Reling, breitete die Arme aus, als könne er fliegen, und ließ sich hinab ins Meer fallen …
    »Niki, wer war das?« stammelte Nadja. Sie drehte sich um, und dann verkrampfte sich ihr Herz, sie fiel in die Knie, der Schrei, der aus ihr hinauswollte, würgte ihr die Luft ab … auf den Planken des Promenadendecks hockte Nikolai Gurjew, die Hände vor die Brust geschlagen, und über seine Finger lief das Blut, tropfte an ihm herunter und sammelte sich in einer Lache vor seinen Schuhen. Der Dolch steckte noch tief in seiner Brust.
    »Nadjuscha …«, stöhnte er. »O Nadjuscha … einmal konnte ich dir helfen. Einmal war ich für dich da … du wirst weiterleben, Liebes

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