Die Tochter des Teufels
was er tun soll.
Rasputin schlägt Minister vor.
Rasputin ist jeden Abend betrunken. Er tanzt mit Zigeunern und reißt den Zigeunermädchen die Kleider vom Leib.
»Alles Lüge! Lüge! Infame Lüge!« sagte Helena Feodorowna, wenn die alte Klaschka an ihr Bett kam und die neuesten Berichte erzählte. »Hat niemand von Nadja etwas erzählt?«
»Niemand!« Die alte Klaschka wischte sich über die Augen. »Ich hätte unser Täubchen nicht wegfliegen lassen! Ich hätte es festgebunden. Ich hätte eher Grigori Jefimowitsch getötet!«
»Es ist sein Kind, Klaschka …«, sagte Helena müde.
»Gezeugt hat er es! Was ist schon dabei? Aber du hast es geboren, du hast es großgezogen, du hast einen Menschen aus ihm gemacht. Und da kommt er her, nach zehn Jahren, und nimmt es weg! Warum wehrst du dich nicht, Helena Feodorowna? Ist das Liebe von einem Mann, einfach das Kind wegzunehmen? Ha! Wir fahren nach Petersburg! Wir alle! Ins Gesicht werde ich ihm spucken, dem dreckigen Grigori Jefimowitsch, Nadja auf die Arme nehmen und weggehen. Er will mich aufhalten? Haha! Wer hält die alte Klaschka auf!« Sie schlug mit der Faust gegen die Wand und gebärdete sich wie eine Irre. »In den Unterleib trete ich ihn! Zermalmen werde ich ihm alles, was er am meisten liebt! Oh – wir werden alle nach Petersburg fahren und Nadja zurückholen!«
Das war auch ein stiller Gedanke Helenas, und er wuchs in den langen Wochen ihrer Krankheit zu einem starken Willen. Nach Petersburg! Alles in Podunskoje verkaufen, das Haus, die Felder, die Pferde, die Wälder. In Petersburg leben, an der Seite Grigoris, in seinen Armen liegen und glücklich sein. Im Sommer konnte man an das Schwarze Meer fahren, nach Jalta, wo auch die Zarenfamilie sich erholte, und in den langen Wintermonaten würde man die Bälle besuchen, die Theater und Konzerte. Welch ein Leben! Nur Mut gehörte dazu … Mut, das Leben in Podunskoje aufzugeben, alles zu verkaufen und nach Petersburg zu fahren, in die starken Arme Rasputins.
Es war schon Hochsommer, als Helena Feodorowna endlich aufstehen konnte. Die Lungen waren frei, so sagte der Arzt aus Tobolsk, als er sie mit einem hölzernen Hörrohr abgehorcht hatte. Der Atem rasselte nicht mehr, es war kein leises Plätschern mehr im Lungenraum. »Sie sind gesund, Helena Feodorowna, aber nun beginnt die Zeit der Kräftigung. Sie haben mindestens zwanzig Pfund an Gewicht verloren«, sagte der Arzt zum Abschied. »Schonen Sie sich! Petersburg? Unmöglich! Die Reise ist viel zu anstrengend für Sie …«
Es dauerte noch einige Wochen, bis Helena Feodorowna wieder vollständig hergestellt war und endlich die Reise nach Petersburg antreten konnte.
Aber das Schicksal war grausam. Aus der Taiga heulte der Wintersturm heran, Schneemassen wirbelten auf das Land; der Fluß vereiste, die Erde überzog sich mit dickem Schnee, das Dorf Podunskoje erstickte unter weißen Bergen.
Acht Tage dauerte der Sturm aus der Taiga, dann schien an einem Morgen wieder die Sonne, der Himmel war blau und wolkenlos, und die alte Klaschka kam ins Zimmer und sagte: »Dreißig Grad Frost, Mütterchen. Und die Wölfe kommen bis an den Dorfrand. Niemand wagt sich mehr allein vors Haus.«
Helena Feodorowna saß am Fenster und sah hinaus in die weiße, in der Sonne blendende Unendlichkeit des Landes. Ihr Gesicht war hart wie damals, als man sie zwingen wollte, amtlich den Namen des Vaters von Nadja Grigorijewna bekanntzugeben.
»Wir fahren nach Petersburg!« sagte sie entschlossen.
»Im Frühjahr, Mütterchen …«
»Nein. Jetzt. Übermorgen! Alles ist gepackt!«
»Es gibt keine Straßen mehr!« rief die alte Klaschka.
»Es gibt das Eis. Wir fahren mit dem Schlitten über das Eis von Tobol und Tura bis Tjumen. In Tjumen gibt es Züge.« Helena Feodorowna erhob sich so abrupt, daß der Stuhl umstürzte. »Ich warte nicht mehr länger. Ich will Nadja wiedersehen.«
Kopfschüttelnd verließ die alte Klaschka das Zimmer und rief Fjodor, alles vorzubereiten für eine Fahrt über das Eis.
Ein klarer Sonnentag von klirrender Kälte war's, als Fjodor, der alte Kutscher, meldete, daß der Schlitten bereitstände. Das Gepäck war verstaut, die alte Klaschka hockte schon, drei Mäntel übereinander und eine Pelzmütze tief im Gesicht, unter den Hundedecken im Schlitten, die beiden Pferdchen schnaubten und schabten mit ihren dick umwickelten Hufen in dem verharschten Schnee.
Noch einmal ging Helena Feodorowna durch alle Räume des großen Hauses am Tobol. Sie nahm
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