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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein … du schläfst … du schläfst … und du wirst träumen von Sibirien und stark und gesund werden wie die Bären, die im Fluß nach Fischen jagen … So müde bist du … so müde … Hörst du? Schlafe … schlafe …«
    Rasputin erhob sich. Der kranke Zarewitsch schlief. Ohne Schmerzen, ohne Fieber, mit tiefem gesundem Atem.
    Ungläubig beugte sich die Zarin über das Gesicht ihres Sohnes. Sie küßte es, sie spürte, daß kein Fieber mehr in ihm war, sie starrte auf das gelöste, lächelnde, zufriedene Kindergesicht.
    »O mein Gott!« sagte sie leise. Und plötzlich drehte sie sich um, sank in die Knie, ergriff die Hände Rasputins und küßte sie mit aller Inbrunst.
    Der Zar stand hinter ihr wie versteinert, sprachlos und zu keiner Bewegung fähig. »Wie von einer göttlichen Hand wurde ich berührt …«, schrieb er später in sein Tagebuch. Die dicke Wischniakowa stand an der Tür und weinte lautlos.
    »Gott hat dich nicht verlassen, Mama«, sagte Rasputin leise und schlug über ihrem Haupt das Kreuz. »Glaube an die Kraft meiner Gebete, und dein Sohn wird leben.«
    Er befreite sich aus den Händen der noch immer knienden Zarin, ging zur Tür, stieß die Wischniakowa an, mitzukommen, und verließ das Krankenzimmer.
    Wenige Minuten später brachte ihn der Schlitten der Großfürstin Stana Nikolajewna zurück nach Petersburg.
    Am Mittag des 8. Oktober saßen Dr. Derewenko und Professor Dr. Fedorow bei einer Tasse Tee in Derewenkos Zimmer. Sie hatten den Zarewitsch untersucht. Er lag noch immer schlafend in den Kissen. Auf dem Rücken, wie Professor Dr. Fedorow sah. Der Puls ging regelmäßig, der Atem war tief und langgezogen, der Körper war ausgestreckt und ohne Schmerzzucken, die geschwollene Hüfte hatte die bläuliche Verfärbung etwas verloren, aller Krampf des Körpers war verschwunden.
    »Wie ist das möglich?« fragte Professor Fedorow und rührte nervös in seiner Teetasse. »Es war doch gar keine Chance mehr.«
    Dr. Derewenko hob die Schultern. »Ein Wunder! Etwas anderes kann ich nicht sagen! Medizinisch ist es nicht zu fassen. Es gibt dafür keine Erklärungen! Wir können es nur hinnehmen: Der Zarewitsch wird weiterleben. Der Staretz hat es geschafft … ein sibirischer Bauer aus Pokrowskoje, Grigori Jefimowitsch Rasputin, ein Wanderprediger, ein bärtiger Sibiriake, ein Mensch, der nicht einmal richtig schreiben kann … Es ist nicht zu fassen!«
    Dr. Derewenko bedeckte die Augen mit der Hand. Das Unbegreifliche erschütterte auch ihn.
    Professor Fedorow trank langsam seinen Tee. Was niemand in Zarskoje Selo aussprach, empfand nun auch er, und er hatte Angst davor, Angst für die Zarenfamilie, Angst um Rußland: Der mächtigste Mann im größten Land der Erde hieß ab heute nicht mehr Nikolaus II., sondern Rasputin.
    Über ein Jahr wartete Helena Feodorowna Woronzowa auf eine Nachricht aus Petersburg. Aber weder Rasputin schrieb ihr, noch hörte sie etwas über das Schicksal ihres Kindes Nadja.
    Nach der Schneeschmelze war sie krank geworden und mußte sieben Wochen im Bett liegen, fiebernd und hustend. »Eine Lungenentzündung, Helena Feodorowna«, sagte der Arzt aus Tobolsk, der in mühseliger Fahrt über völlig aufgeweichte Wege drei Tage bis nach Podunskoje brauchte. »Da hilft alle Ungeduld nichts … wenn Sie nicht sterben wollen oder die Auszehrung zurückbehalten wollen, müssen Sie liegen, sich warm halten, sich einreiben lassen und bittere, entzündungshemmende Medizin trinken.«
    Es war ein trauriges Leben in dem großen zweistöckigen Haus, seit Nadja in Petersburg war. Die alte Klaschka und der Pferdeknecht Fjodor waren die einzigen, die noch im Haus wohnten. Die Felder verkamen, die Scheunen verrotteten, im Frühjahr säte man gerade so viel aus, daß es für den eigenen Bedarf reichte, und im Herbst erntete man nicht mehr, als drei Menschen essen konnten, wenn der lange Winter kam.
    Helena Feodorowna kümmerte das wenig. Sie wartete geduldig auf ein Zeichen aus Petersburg.
    Auf einen Brief. Auf ein Telegramm. Auf das ersehnte »Komm zu mir, Seelchen …«
    Aber nichts kam aus Petersburg. Den Frühling über nicht, nicht im Sommer. Nur Reisende und Bettler brachten Nachrichten mit, die sich widersprachen.
    Rasputin beherrscht den Zaren.
    Rasputin hat zwei Frauen bei einem Trinkgelage vergewaltigt.
    Rasputin trinkt mit der Zarin und den Großfürstinnen Tee.
    Eine Frau, die Rasputin geschändet hat, ist in die Newa gesprungen und hat sich ertränkt.
    Rasputin sagt dem Zaren,

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