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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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armseliger, schmutziger Bauer, dem der Frühlingsschlamm die Felder verwüstet hat und der nun einsehen muß, daß er im Sommer und im Herbst hungern konnte.
    »Nikolai ist nicht so wie andere!« Nadja blieb zitternd an der Wand stehen. »Du kennst ihn nicht, Väterchen. Er wurde Offizier, weil sein Vater und sein Großvater Offiziere des Zaren waren.«
    »Und wo sind sie?«
    »Tot.« Nadja senkte den Kopf. »Nikolais Vater fiel im Japanischen Krieg …«
    »Und es werden immer wieder Kriege kommen … Krieg nach Krieg … und sie werden fallen wie die Fliegen im Stall, wenn man sie mit einer Lederklatsche herunterschlägt.« Rasputin streckte beide Hände aus. Seine Stimme wurde flehend. »Nadja … Nadjuscha … ich habe es gefühlt. Als die Silvesterglocken läuteten, mußte ich hinausgehen aus der Stube in den Schnee. Mein Herz war so schwer. Und dann quälte es mich, bis ich gefahren bin … Keine Ruhe hatte ich … die Sorge um dich trieb mich … Stimmen waren in mir, die mir zuriefen: Rette dein Glück, Grischa! Rette dein Glück! Oh, was ist denn mein Glück?« Rasputins Kopf sank auf die Brust. »Mein Glück bist du, Seelchen … Gehorche deinem Vater …«
    »Ich liebe Nikolai!« Nadja blieb stehen. Sie rührte sich nicht, sie übersah die ausgestreckten Hände Rasputins, die sie zu sich heranziehen wollten. »Ich werde ihn heiraten!«
    »Und wenn ich es nicht will?«
    Nadjas Augen wurden hart. Erschrocken sah es Rasputin … ein Wille stemmte sich ihm entgegen, wie er ihn noch nie empfunden hatte. Ein Widerstand aus einer Kraft heraus, die er nicht zu brechen wagte, weil es Kraft aus seiner eigenen Kraft war.
    »Ich werde mit ihm sprechen«, sagte er besänftigend. »Morgen schon. Ich sehe ihn mir an!«
    Damit stand er auf und ging mit schleifenden Schritten hinaus.
    Es war der erste Abend, an dem kein Brief zu Nikolai Gurjew ging.
    Er hatte heute seinen dienstfreien Tag und überlegte, was er tun sollte. Schlafen und am Abend ins Theater gehen? Mit anderen Kameraden ein Tingeltangel besuchen und sich frivole Tänze ansehen? Es gab nicht viel Auswahl in Petersburg für einen einsamen, verliebten Mann, der treu sein wollte.
    Nikolai Gurjew entschied sich, zunächst zu schlafen und dann brav in die Oper zu gehen. Irgendwann wurde dann das tägliche Billet Nadjas abgegeben … zarte, süße Worte, die er auswendig lernte und auch noch im Traum hersagte.
    Gurjew wachte gegen Mittag auf, als sein Bursche ihn an der Schulter rüttelte und einen Brief vor die Nase hielt. Es war kein rosafarbener Umschlag, sondern ein einfaches graues Kuvert von billigstem Papier. Verwundert setzte sich Gurjew im Bett auf, riß den Umschlag auf und las.
    »Mein Sohn.
    Ich erwarte Dich gleich in meiner Wohnung. Gott segne Dich. Grigori …«
    Gurjew sprang mit einem Satz aus dem Bett und rief nach seiner Sonntagsuniform. In fliegender Eile kleidete er sich an, schrie nach einem Schlitten, warf seinen pelzbesetzten Mantel über und rannte aus dem Haus. Bevor er die Wohnung auf dem Newski-Prospekt, die jedes Kind in Petersburg kannte, ansteuern ließ, ließ er sich zu dem größten Blumengeschäft der Stadt fahren und kaufte einen Strauß dunkelroter Treibhausrosen. Dann glitt der Schlitten durch den festgestampften Schnee zur Wohnung Rasputins.
    Verwundert, weil alles anders war, als es überall berichtet wurde, betrat Gurjew das Treppenhaus. Keine wartenden Menschenschlangen schoben sich die Treppe hinauf, selbst die Ecke der Ochrana-Wächter war leer bis auf einen dicken, schnaufenden Beamten, der eben eingetroffen war.
    Und dann stand Nikolai Gurjew hochgewachsen, schlank und stolz in seiner glänzenden Sonntagsuniform vor dem Mann, den der Adel Rußlands haßte wie den Satan und die Zarenfamilie verehrte wie einen Heiligen.
    Das ist Rasputin, dachte er. Ein schwerer, klobiger Bauer mit wirren Haaren und einem ungepflegten Bart. Ein Muschik, der grobe Stiefel trägt, ein verblichenes wollenes Bauernhemd, verschmutzte Hosen und von dem ein Geruch von Zwiebeln, Jauche, Wein und Schweiß ausströmt.
    In Gurjew war nichts von heiliger Scheu oder Ehrfurcht. Rasputin spürte das, und sein Blick, der erst freundlich auf dem jungen Menschen geruht hatte, wurde hart und kalt.
    »Du bist Nikolai Georgijewitsch Gurjew …«, sagte Rasputin langsam. Er strich sich über den Bart, und er blieb in der Diele der Wohnung stehen, ohne Gurjew ins Zimmer zu bitten. Dort stand Nadja, bleich und bebend, und wartete, daß Nikolai hereinkam. »Du

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