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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vor den Frauengemächern Wache hielt. Nur Antwort bekam sie nicht oft. Nikolai Gurjew hatte einen strengen Dienst, er war oft in Petersburg, und so erreichten ihn häufig vier Briefchen auf einmal, und er schrieb zurück: »Mein kleiner Himmel … ich liebe Dich. Wenn es Frühling ist, werde ich den Zaren bitten, Dich heiraten zu dürfen …«
    Nadja Grigorijewna beugte sich über das Papier und schrieb. Silvester, dachte sie. Ist es erst drei Wochen her? Drei Jahre könnten es sein, so sehne ich mich nach Nikolai.
    »Wer ist das, an den du schreibst?« fragte eine tiefe Stimme hinter ihr. Mit einem hellen Schrei fuhr Nadja herum. Der Stuhl polterte über das Parkett, die langen Haare wehten über ihr entsetztes Gesicht. Erst nach diesem Aufschrei erkannte Nadja ihren Vater, breitete die Arme aus und fiel ihm um den Hals. »Väterchen!« rief sie und küßte Rasputin über das ganze bärtige Gesicht. »Väterchen! Du bist hier! Du wirst mir helfen …«
    Rasputin ließ den Sturm der Begrüßung über sich ergehen, aber er war nicht so zärtlich wie früher.
    »Wem schreibst du?« fragte er.
    »Ich bin so glücklich, Väterchen …« Nadja breitete die Arme aus, als könne sie die Welt umarmen. »Soll ich dir beweisen, wie es in mir brennt? Ich werde durch den Sturm gehen, und das Eis wird unter meinen Füßen schmelzen und der Schnee zerfließen, bevor er meinen Körper trifft …«
    »Ein Mann! Es ist ein Mann!« Rasputin setzte sich schwer auf einen Stuhl und legte die Hände in den Schoß. Und plötzlich kam es über ihn, eine heiße Welle des Zorns und der väterlichen Enttäuschung, ja, erschrocken erkannte er, daß es auch Eifersucht war, wilde Eifersucht auf diesen Mann, der Nadja so verwandelt hatte. Er stampfte mit seinen dicken Stiefeln auf, hieb mit den Fäusten auf den Tisch und legte den Kopf in den Nacken, während er brüllte.
    »Wer ist er?« schrie er. »Nichts, sagt die alte Hexe Anna, nichts! Ist es nichts? Ein Mann! Wie siehst du aus, Nadja, mein Seelchen? Hast du andere Augen bekommen, einen anderen Blick? Komm her! Ich will dich ansehen! Ich will sehen, ob du mehr vom Leben weißt als damals, als ich wegging! Bleib stehen!«
    Rasputin erhob sich. Nadja wich zurück zur Wand. Ihre Fröhlichkeit war zerbrochen. Angst und Schrecken durchschüttelten sie.
    »Väterchen …«, stammelte sie. »Was denkst du von mir …«
    »Sieh mir in die Augen!« Rasputin stand vor ihr. Sein Blick glühte. Gegen diesen Blick gab es keine Kraft mehr, ihm war nicht zu entfliehen. »Bist du noch meine reine Tochter Nadja … bist du mein weißes Täubchen? Schwöre es mir …«
    Nadja schwankte. Der Blick Rasputins zerschnitt sie. Da schlug sie beide Hände vor die Augen, warf sich herum und drückte den Kopf gegen die seidene Tapete.
    »Ich liebe ihn!« schrie sie gegen die Wand. »Ich liebe ihn!«
    Rasputin wischte sich über die Augen und die Stirn. Sie war naß, aber es war kein Schneewasser mehr … es war kalter, klebriger Schweiß.
    »Wer ist er?« fragte er. Ein dumpfes Seufzen begleitete die Frage.
    »Nikolai Gurjew.« Nadja drehte sich herum. Jetzt, da der schreckliche Blick sie nicht mehr traf, stiegen wieder Mut und ein ihr fremder Widerstand in ihr auf.
    »Was macht er?«
    »Er ist Offizier. Hauptmann der Garde des Zaren.«
    »Ein Offizier! Offiziere leben für den Krieg! An Orden, an siegreiche Schlachten denken sie! Das Töten ist ihre Aufgabe! Ein Offizier!« Rasputin warf beide Arme empor, hoch über seinen Kopf. »Meine Tochter mit einem Offizier! Einen ehrlichen Kaufmann solltest du heiraten, einen Bauern … jawohl, einen fleißigen, guten Bauern, der seinen Hof in Ordnung hat, der mit Wind und Eis kämpft, der von seiner Hände Arbeit lebt … oder einen Handelsmann, der aus fremden Ländern die Waren kommen läßt. Alles, alles kannst du heiraten … aber einen Offizier? Man hat ihn ausgebildet, damit er schießen und stechen und schlagen kann! Und wenn er recht viele Menschen absticht, dann bekommt er einen Orden oder auch zwei oder drei, er bekommt einen Stern mehr an seine schöne Uniform, er wird geehrt, und der Zar küßt ihn auf die Wangen. Nur weil er getötet hat, weil er andere Menschen umbrachte und weil man das, wenn man es in Uniform tut, Tapferkeit und Heldentum nennt! – Und meine Tochter, mein Vögelchen, liebt einen Offizier! Ich bin traurig, sehr traurig …«
    Rasputin ging zu dem Stuhl zurück und setzte sich wieder. Wie ein alter, gebrochener Mann saß er da, wie ein

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