Die Tochter des Teufels
liebst meine Tochter …«
Gurjew spürte, wie Widerwillen in ihm aufkam. Ich werde höflich sein, hatte er sich auf der Fahrt im Schlitten vorgesagt. Ich will vergessen, was man über Rasputin erzählt. Ich liebe Nadja und nicht ihn. Niemand kann sich seinen Vater aussuchen. Ich werde höflich sein und mich vor Rasputin beugen. Aber jetzt war das anders … zu deutlich war die Feindschaft, die zwischen diesen beiden Männern stand.
»Ja, ich liebe sie«, sagte Nikolai Gurjew fest. »Und ich werde sie heiraten.«
»Du sagst es so bestimmt, mein Söhnchen. Zu bestimmt.« Rasputins Blick bekam den merkwürdigen Glanz, der die meisten verwirrte, wenn er sie damit anstarrte. An Gurjew versagte die Wirkung. »Man sollte bei diesen Entschlüssen immer erst den Vater fragen und von ihm den Segen erbitten.«
»Wer weiß, daß Sie der Vater Nadjas sind, Grigori Jefimowitsch?« fragte Gurjew hart. Rasputins linke Augenbraue hob sich.
»Niemand! Nur die Zarin und der Zar, die Wyrobowa, die Großfürstinnen und Gott!«
»Das beruhigt mich.« Gurjew legte den eingewickelten Blumenstrauß auf einen Stuhl, der an der Wand stand. Ich werde hochmütig sein, dachte er. Bei Gott, ich kann diesen Menschen nur ertragen mit Hochmut. »Ich werde die Zarin um die Hand Nadjas bitten.«
»Ich bin der Vater!« Rasputins Stimme schwoll an.
»Sie haben sie gezeugt, Grigori Jefimowitsch.« Nikolai Gurjew sah stolz auf den Mann mit dem wilden Bart hinab. »Das war ein Akt von Sekunden oder Minuten. Erzogen wurde Nadja von der Mutter, zu einer Dame ist sie geworden durch die Zarin … ihre Herkunft ist für die Umwelt ein Geheimnis … es wäre schlecht, wenn man erführe, wer der Vater ist …« Rasputin zog die breiten Schultern hoch. Aber Gurjew beachtete es nicht, er sprach weiter.
»Ich werde die Zarin um Nadjas Hand bitten, und unter dem Patronat der Zarin werden wir heiraten. Kein Flecken wird mehr auf Nadjas Namen liegen …«
»Ein Flecken … ein Flecken sagt er …« Rasputin atmete tief auf. »Bin ich ein Flecken?« schrie er plötzlich. Gurjew zuckte zusammen, seine Hand fuhr zum Degen. »Ein Flecken!« brüllte Rasputin. »Ich erwürge dich, du armseliger Hund! Ich zertrete dich mit meinen Bauernstiefeln wie eine Wanze! Ich zerdrücke dich wie einen Floh! Wer bist du denn, du stolze Larve? Oh, das sage ich dir: Eher fällt der Himmel auf die Erde, als daß du Nadja in dein Bett bekommst! Hinaus! Hinaus mit dir, du Hund!«
Rasputin rannte zur Tür und riß sie auf. Nikolai Gurjew rührte sich nicht. Er sah in die entgegengesetzte Richtung, auf die weiße Tür, die ins Zimmer führte und hinter der Nadja wartete.
»Wo ist Nadja?« fragte Gurjew hart. »Ich nehme sie mit. Sie soll vergessen, welchen Vater sie hat …«
Er wollte zur Zimmertür gehen, aber wie ein Tiger warf sich Rasputin ihm entgegen. Von dem Anprall schwankten sie, fielen gegen die Wand, umklammerten sich und starrten sich aus flammenden Augen an. Und hier, in diesem verbissenen Kampf, Auge in Auge, begriffen sie, wie beschämend es war, was sie taten.
Rasputin trat zurück. Er keuchte, sein wilder Bart war wie ein vom Sturm zerfetztes Gebüsch.
Nikolai Gurjew wischte sich über das Gesicht. Seine Offizierspelzmütze mit dem roten Zarenadler darauf war ihm in den Nacken gerutscht.
»Wir benehmen uns wie die Straßenjungen, Grigori Jefimowitsch …«, keuchte er. »Wie wilde Hunde, die um einen Knochen zanken.« Er rückte die Mütze zurecht und zerrte seinen Mantel gerade. »Aber wer Sie auch sind und was Sie auch getan haben und noch tun werden … meine Liebe zu Nadja ist so groß, daß ich vergessen werde, was ihr Vater an Unglück über die Menschen und Rußland bringt.«
»Warum haßt du mich so?« Rasputin kämmte sich die Haare, indem er mit gespreizten Fingern hindurchfuhr. »Was habe ich dir getan?«
»Jeder in Petersburg weiß, wie Sie leben, Grigori Jefimowitsch. Ihre Liebschaften, Ihre Orgien in der Villa Rode, Ihre Ehebrüche, Ihre Heilungen, die Vergewaltigungen sind, Ihr verwerfliches Leben zwischen Huren und Säufern, Betrügern und Karrieremachern, Ihr Einfluß auf die Zarin und den Zaren, Ihre Reden: ›Wer regiert in Wahrheit Rußland? Ich!‹, Ihr Haß gegen das Militär und den Adel, Ihre einseitigen Informationen für den Zaren … Sie werden Rußland vernichten, Grigori Jefimowitsch!«
»Ich werde Rußland aus dem Schlamm ziehen, in dem es zu ersticken droht! Ich sage Papa die Wahrheit, die Wahrheit über sein Volk, das ihn
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