Die Tochter des Teufels
Leichnam noch einmal zu sehen. Er sprang auf und riß die Tür fast aus dem Schloß. Verwundert sah ihm Großfürst Dimitri zu. »Was ist, Felix?« fragte er.
»Ich muß ihn noch einmal sehen!«
Jussupoff winkte ab, als Leutnant Suchotin ihn begleiten wollte. Allein stieg er die Treppe hinunter in das Gewölbe, langsam, Stufe um Stufe.
Rasputin lag auf den Steinfliesen, so wie man ihn hingeschleift hatte. Einen Augenblick stand Jussupoff sinnend vor dem Toten und starrte in das grobe, verzerrte, gehaßte, noch im Tod von einem wilden Zauber umgebene Gesicht Rasputins. Er kniete neben dem Leichnam nieder, fühlte noch einmal den Puls, und dann tat er etwas, wofür er nie eine Erklärung wußte, wie ein Zwang kam es über ihn: Er ergriff beide Arme Rasputins, schüttelte den Toten und richtete ihn dabei etwas auf. Dann ließ er ihn zurückfallen und starrte ihn wieder an.
In diesem Augenblick geschah das Unbegreifliche.
Das linke Augenlid Rasputins begann zu zittern. Ein Zucken glitt über sein Gesicht … das linke Auge öffnete sich halb … das rechte Augenlid hob sich langsam … und dann waren beide Augen offen und starrten mit einem unheimlichen grünlichen Schimmer Jussupoff an, der gelähmt neben dem Körper kniete.
Unendlicher, höllischer Haß schrie aus den Augen Rasputins. Durch den zerschossenen Brustkorb flog ein leises Röcheln. Fürst Jussupoff erhob sich, aber seine Beine waren wie mit den Granitplatten des Kellers verwachsen, er hatte das Empfinden, daß sein Blut in den Adern gerann, daß sein Körper, daß jeder Muskel vereiste.
»Hilfe!« wollte er schreien. »Hilfe!« Aber aus seiner zugeschnürten Kehle drang kein Laut.
Mit einem ungeheuren Satz, mit einer übermenschlichen Stärke sprang Rasputin plötzlich auf. Er lallte, schwankte heftig, warf die Arme hoch, Schaum trat vor seinen Mund, aus den Mundwinkeln liefen dünne Blutfäden, und die Augen quollen aus den Höhlen.
Und dann brüllte er. Es war ein so fürchterliches, heiseres, bärenähnliches Brüllen, ein so urgewaltiger Ausbruch eines Vulkans von Schmerz und Enttäuschung, daß Jussupoff noch immer gelähmt in dieses wilde verzerrte Gesicht starrte, das sich ihm näherte.
»Verfluchter!« brüllte Rasputin. »Verfluchter! Felix! Felix! Was hast du getan? Felix! Verfluchter!«
Er warf die Hände vor, umkrallte die Kehle des erstarrten Jussupoff, rutschte ab, schwankte, fiel gegen den Fürsten und hieb die Finger wie stählerne Zangen in die Schultern Jussupoffs.
»Felix! Felix! Felix!«
Jussupoff erwachte aus seiner Starrheit. Er duckte sich, hieb auf die Arme, drückte Rasputin zurück, wollte sich befreien. Rasputins Brüllen wurde unkenntlich, es waren keine Worte mehr, nur noch Schreie. Immer wieder versuchte er, den Hals Jussupoffs zu fassen, um ihn zu erdrosseln, sie rangen miteinander, keuchend und gnadenlos, mit einem kreischenden Laut riß Rasputin eine Epaulette von der Uniform Jussupoffs, hob die Faust und hieb zu, und dabei rann ihm das Blut aus dem Mund, und blutiger Schaum blähte sich vor seinem Gesicht.
Mit einer letzten verzweifelten Bewegung riß sich Jussupoff los und rannte zur Treppe.
Rasputin schwankte, stürzte nach hinten auf die Steinquader, ein fürchterliches Röcheln erfüllte den Keller, er hob die Faust, mit der er die abgerissene Epaulette umkrallt hielt, führte sie zum Mund und biß in wilder Wut in die goldene Stickerei.
Fürst Jussupoff hetzte die Treppe hinauf.
»Er lebt!« schrie er, als er die Tür aufriß. »Er lebt noch immer! Schnell schnell, kommen Sie herunter!«
Der Abgeordnete Purischkewitsch, der allein und Wein trinkend im Arbeitszimmer saß, starrte den Fürsten entgeistert an. Ein Gespenst stürzte da ins Zimmer, wachsbleich, zerfetzt, mit irren Augen.
»Wo?« rief er und zog seinen Revolver aus der Tasche. »Wo ist er?«
»Er lebt!« Jussupoff schwankte durch das Zimmer. »Er wollte mich erwürgen!« Mit ein paar taumelnden Schritten stand er vor seinem Schreibtisch. Dort lag ein langer, harter Gummiknüppel, den ihm der Duma-Abgeordnete Maklakov bei einer der Vorbesprechungen zu dieser Mordnacht gegeben hatte, für alle Fälle, wie er damals ahnungsvoll sagte.
Purischkewitsch rannte zur Treppe. Jussupoff, den Gummiknüpp el schwingend, hatte die Tür schon wieder erreicht.
Dann standen sie oben auf dem Treppenabsatz, unfähig, etwas zu unternehmen. Was sie sahen, war unbegreiflich.
Rasputin kletterte die Treppe herauf. Auf dem Bauch kriechend, auf Händen und
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