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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von der Moika über die Brücken der Newa bis zur Peter-Insel, wo unter der Petropawlowsk-Brücke das große Eisloch freigeschlagen war. Niemand war in dieser eisigen Nacht auf den Straßen. Dunkel, ohne Licht, ein Schatten nur, stand der Wagen auf der Brücke.
    »Hinein!« sagte Großfürst Dimitri.
    Der Leichnam Rasputins hing über dem Brückengeländer, genau über dem großen Loch im Eis. Man hörte das Gurgeln des Wassers in der Stille der kalten Nacht.
    »Los!«
    Dr. Lasowert und Leutnant Suchotin ließen los. Der Körper klatschte auf das Eis, rutschte in das Loch und versank mit einem schmatzenden Laut in der kleinen Njewka.
    Grigori Jefimowitsch Rasputin lebte nicht mehr.
    Es war der 17. Dezember 1916.
    Zwei Tage lang suchte man Rasputin.
    Die Ochrana verhörte Fürst Jussupoff, die Zarin flehte ihn an, die Wahrheit zu sagen, Großfürst Dimitri leugnete. Der Zar kam aus seinem Hauptquartier in Mogilew zurück, verließ seine Truppen und vergaß den Krieg, um selbst die Untersuchungen zu leiten … eine Mauer des Schweigens stand da, und keiner konnte sie durchbrechen.
    Blaß, zerbrechlich in ihrer Zartheit, ging Nadja Grigorijewna durch die Räume des Alexandra-Palastes von Zarskoje Selo oder durch die Zimmer der kleinen Villa der Wyrobowa, ruhelos, wartend, ohne Tränen, ohne Gebet. Aron Simanowitsch, der Sekretär Rasputins, hatte den Brief gefunden, den Rasputin vor seiner Abfahrt mit dem ›Kleinen‹ in dessen Palais noch an Nadja geschrieben hatte. Es waren Zeilen, die alles sagten.
    Am Morgen des 19. Dezember, zwei Tage nach dem Mord, fand man endlich unter dem Eis den festgeklemmten Körper Rasputins. Professor Kossorotow, Leiter des Krankenhauses von Tschesma, untersuchte den Toten und obduzierte ihn. Als er sich wieder aufrichtete, zeigte sein Gesicht den Widerschein von Entsetzen.
    »Er hat noch gelebt, als sie ihn in die Newa stürzten …« sagte er leise. »Er war noch nicht tot! Erst im Wasser, unter dem Eis, ist er gestorben. Ertrunken …«
    Nadja sah es der Wyrobowa an den Augen an, was diese zu sagen hatte, als sie am Abend des 19. Dezember zu ihr ins Zimmer kam. Ihre Augen waren rot verquollen, mit den Händen hielt sie eine kleine Ikone umklammert, die Rasputin ihr einmal von einer Reise mitgebracht hatte. Nadja faltete die Hände, ihr Herzschlag setzte einen Augenblick aus.
    »Er ist tot …«, sagte sie kaum hörbar.
    Die Wyrobowa schluchzte auf und drückte die kleine Ikone an ihre Lippen.
    »Wann starb er?« fragte Nadja dumpf.
    »Man weiß es noch nicht.« Die Wyrobowa schluchzte haltlos. »Aber er ist ermordet worden. Und Felix war es! Es muß Felix gewesen sein. Bei ihm war Vater Grischa zuletzt.«
    »Warum haben sie das getan?« Nadja wandte sich ab. »Alle haben ihn gehaßt. Warum? Er hat nur die Wahrheit gesagt. Er wollte nur das Beste! Er sah mehr als alle anderen. Tötet man deshalb Menschen? Ist Wahrheit ein Verbrechen?«
    Die Wyrobowa betete leise. »Kann ich meinen Vater sehen?« fragte Nadja fest. Sie schwieg betroffen … der harte Ton ihrer Stimme war erschreckend für sie selbst. »Wohin hat man ihn gebracht?«
    »Er kommt morgen nach Zarskoje Selo. Jetzt sind die Ärzte noch bei ihm, die Polizei, der Innenminister Protopopow, General Belinskij.« Die Wyrobowa schluchzte. »Die Zarin ist völlig verwirrt. Mein Gott, was soll Mama ohne Vater Grischa tun? Was soll aus dem Zarewitsch werden? Wenn Aljoscha sich wieder verletzt …«
    Nadja Grigorijewna stand auf. Sie ging ins Nebenzimmer, nahm ihren Pelz aus dem Schrank und warf ihn über. Die Wyrobowa richtete sich auf. »Wo willst du hin?«
    »Zu meinem Vater!« sagte Nadja steif.
    Nadja setzte eine dicke Pelzmütze auf. Sie klingelte, die Kammerfrau erschien in der Tür, auch mit roten, verweinten Augen. »Meine Stiefel!« befahl Nadja. »Die hohen! Die Reitstiefel! Schnell!«
    Vor der Polizeipräfektur stauten sich Menschen. Aber sie warteten vergeblich. Kein Sarg wurde herausgetragen, niemand gab Auskunft. Die Leiche Rasputins war längst an einen geheimen Ort gebracht worden und wurde etwas zurechtgemacht, um ihn mit anständigem Aussehen weiter nach Zarskoje Selo zu bringen. General Belinskij, der neue Chef der Ochrana, verfaßte ein Kommuniqué für den Zaren. In schneller, präziser Kleinarbeit, aus Meldungen eines kleinen Heeres von Geheimagenten und Zuträgern waren die Mörder ausfindig gemacht worden; er nannte die Namen ohne Scheu, von Großfürst Dimitri bis zu dem stämmigen Leutnant Suchotin.
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