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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vergifteten Kuchens, dann stützte er den Kopf in beide Hände, starrte vor sich hin, und sein Blick wurde wild und hart.
    »Warum kommt sie nicht?« rief er. »Warum warten wir? Jag die Gäste weg, Kleiner! Ich warte nicht gern auf eine Frau.«
    Jussupoff überlief es kalt. Seine Finger zuckten. Ich muß ihn erwürgen, dachte er. Ich muß ihn töten mit meinen eigenen Händen. Warum wirkt das Gift nicht?
    Um Jussupoff drehte sich einen Augenblick der Keller. Der Schrecken, daß Rasputin durch Gift nicht zu töten war, raubte ihm fast die Besinnung. Aber dann fing er sich wieder und starrte Rasputin an, der nach der nächsten Karaffe vergifteten Weins tastete.
    »Gieß ein«, sagte er mit schwerer Zunge. »Ich habe großen Durst. Laß uns trinken, Kleiner. Wann kommt deine Frau?«
    »Es wird nicht mehr lange dauern«, antwortete Jussupoff doppelsinnig.
    Rasputin trank, als verbrenne er innerlich. Dann seufzte er, lehnte sich zurück und zeigte auf eine Gitarre, die an der Wand hing.
    »Oh, das ist gut!« sagte er fröhlich. »Spiel mir etwas Lustiges, mein Kleiner! Sing etwas. Ich höre dich so gern singen!«
    Mit schweren Beinen ging Fürst Jussupoff zur Wand, nahm die Gitarre herunter, setzte sich in einen Sessel und ließ die Finger über die Saiten gleiten. Rasputin hob den Kopf. Etwas wie inneres Glück überstrahlte sein Gesicht.
    »Sing, mein Kleiner!« wiederholte er fast zärtlich.
    Und Jussupoff sang. Der Mörder griff in die Saiten der Gitarre, sein Mund öffnete sich, und dann schwebte eine helle schöne Tenorstimme durch das Kellergewölbe, eine Stimme voll Zartheit und Wohlklang.
    Eine Romanze. Ein trauriges, klagendes Lied. Die Weite der Steppe kam in den Kellerraum.
    Rasputin winkte ab. »Nicht so, mein Kleiner!« rief er. »Etwas Lustiges! Fröhliches! Kannst du eine Komarinskaja spielen? Ein Bauerntanz ist das! In Sibirien tanzen sie ihn, wenn sie den Frauen gefallen wollen! So … und so … und so …«
    Rasputin tanzte. Seine Stiefel stampften auf die Steinplatten und die Teppiche, sein Bart flog ums Gesicht, die Kopfhaare verwirrten sich. So tanzt ein Bär oder ein Dämon, so tanzt ein Besessener oder ein Waldgeist! Über Jussupoff kroch eine lähmende Angst. Seine Finger griffen in die Gitarre, er hörte sich singen mit einer völlig fremden, brüchigen, in Furcht eingepreßten Stimme … und er sang wieder traurig Melodien, Romanzen, Balladen, während der wilde, stampfende Bär vor ihm nach einer ganz anderen, inneren Melodie tanzte, verzückt, mit offenem Mund, mit flammenden Augen, mit dröhnenden Stiefeln und einem dunklen, heiseren Keuchen der Wonne.
    »So ist es recht, mein Kleiner! Wie schön deine Stimme ist! Ich liebe sie. Du legst soviel Seele hinein …« Rasputin trank aus dem Glas, schwenkte es durch die Luft und drehte und wiegte sich und stampfte durch den Raum.
    Mit einem Mißklang beendete Jussupoff seinen Gesang. Am Ende war er, sein Körper flog wie bei einem gehetzten Pferd. Er schwankte zur Treppe, klammerte sich an das Geländer und hatte das Gefühl, sich erbrechen zu müssen. Rasputin kam zu ihm, den letzten Rest des vergifteten Weines austrinkend.
    »Warum lärmt man da so?« fragte er und zeigte nach oben zur Tür.
    Jussupoff atmete tief. Seine Stimme war unkenntlich. »Das sind wahrscheinlich die Gäste, die weggehen«, sagte er. »Ich werde hinaufgehen und sehen, was los ist.«
    Rasputin nickte und schwankte in den Keller, zum Tisch zurück. Mit zitternden Knien rannte Jussupoff die Treppe hinauf. Oben riß er die Tür auf, stürzte in den Raum, warf die Tür zu und fiel in die Arme von Großfürst Dimitri und Leutnant Suchotin.
    »Er lebt!« schrie er. »Er lebt! Das Gift wirkt nicht!«
    Über das Gesicht Dr. Lasowerts zog fahles Gelb. »Das ist unmöglich«, stotterte er. »Es reicht für zehn Ochsen. Ich habe es ausprobiert! Zyankali ist ein Gift, das sofort …«
    »Aber er lebt!« schrie Jussupoff. Wie Wahnsinn flackerte es in seinen Augen. »Ist er denn unsterblich?«
    »Wir gehen alle hinunter, werfen uns auf ihn und erwürgen ihn!« sagte Leutnant Suchotin. »In meinen Händen gibt es keine Unsterblichen …«
    Jussupoff schüttelte den Kopf. »Das verdirbt alles! Die fremden Menschen … es könnte alles umsonst sein … er ist so voller Mißtrauen.« Er sah den Großfürsten Dimitri an, und in seinem Blick lag die Wehmut und die Tragik eines Märtyrers. »Gib mir deinen Revolver, Dimitri …«, sagte er heiser. »Ich muß es allein tun! Er ist nicht

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