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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Knien, sich von Stufe zu Stufe schiebend, wie ein sterbendes, einen schützenden Winkel suchendes Tier, kam er näher und näher. Er brüllte und röchelte, Haare und Bart waren mit Blut verschmiert, seine Augen quollen aus den Höhlen, und sie waren nicht mehr bannend und grünlichblau, sondern bis zum Bersten gefüllt mit schreiender Todesangst.
    »Er will zur Tür in den Hof!« schrie Jussupoff. »Aber sie ist verschlossen! Schießen Sie doch!«
    Purischkewitsch hob den Revolver. Jussupoff lief die Stufen hinunter, den Gummiknüppel schwingend.
    Mit einem mächtigen, bärenähnlichen Satz erreichte Rasputin die Tür, drückte die Klinke herunter und warf sich gegen das Holz. Und die Tür schwang auf …
    Jussupoff lehnte sich gegen die Wand. Das ist unmöglich, schrie es in ihm. Die Tür war abgeschlossen! Sie war – bei Gott – abgeschlossen! Hören die Wunder der Hölle nie auf?
    »Schießen Sie, Purischkewitsch!« stammelte Jussupoff. »Um Gottes willen, schießen Sie … er entflieht …«
    Rasputin stolperte draußen durch den Schnee, er rannte schwankend an dem Gitter entlang, das den Hof abgrenzte, und nahm mit einem unheimlichen Instinkt den Weg zu dem Gittertor, das er noch nie gesehen hatte.
    »Felix! Felix!« brüllte er dabei in die eisige Nacht. »Ich werde alles der Zarin sagen!«
    Purischkewitsch war ihm nachgerannt. Auch Jussupoff erschien in der Tür.
    »Schießen Sie doch …«, stöhnte er.
    Purischkewitsch schoß im Laufen. Die Kugel drang Rasputin in den Rücken; er blieb stehen, stöhnte auf und drehte sich halb um. Da schoß Purischkewitsch zum zweitenmal und traf Rasputin am Kopf. Mit einem Aufschrei stürzte der Staretz in den Schnee.
    »Schießen Sie …«, stammelte Jussupoff und schwankte durch den Schnee der Spur nach, die Rasputin getreten hatte. »Schießen Sie …«
    Der dicke, friedliche, ängstliche Purischkewitsch stand vor dem im Schnee lang hingestreckten Körper Rasputins und schoß in den Berg Fleisch hinein, bis sein Revolver leer war. Dann trat er mit aller Wucht gegen die Schläfe des Staretz, aus einer ohnmächtigen, irrsinnigen Verzweiflung heraus, daß das Schicksal gerade ihm diese Rolle zudiktiert hatte.
    Und Rasputin blickte ihn an. Das rechte Auge richtete sich auf Purischkewitsch. Stumpfsinnig, fragend … der anklagende Blick eines Toten.
    Purischkewitsch wandte sich ab, ließ den Revolver fallen und schlug die Hände vors Gesicht.
    Schwankend, wie ein Betrunkener, war Fürst Jussupoff herangekommen. Zwei Diener, durch die Schüsse aufgeweckt, liefen über den Hof, sahen den Toten und erkannten ihn. Sie erstarrten und begannen zu zittern.
    »Ins Haus!« sagte Purischkewitsch leise. »Ins Haus! Schnell. Dort kommt die Polizei! Ich werde sie beruhigen.«
    Jenseits des Gitterzauns hörte man Schritte, Stimmen und das Klappern von Säbeln. Die Diener hoben Rasputin aus dem Schnee, trugen ihn in das Palais und legten ihn auf den Absatz der Treppe hinter die Tür, durch die Rasputin hatte entfliehen wollen.
    Jussupoff lehnte in seinem Arbeitszimmer an der Wand, den Gummiknüppel noch immer in der Hand. Ihm war schwindlig.
    »Jetzt ist er wirklich tot«, sagte Purischkewitsch, der von den Polizisten zurückkam. Er hatte sie beruhigen können mit der Lüge, Betrunkene, Gäste des Fürsten, hätten aus Spaß in die Luft geschossen. »Er liegt auf der Treppe.«
    Jussupoff nickte. Wie ein Schlafwandler stieg er die Stufen hinunter und blickte auf Rasputin, der auf dem Rücken lag. Das helle Licht der kristallenen Kronleuchter gab jede Einzelheit seines entstellten Gesichts frei, das Blut floß aus zahlreichen Wunden – es war ein schrecklicher Anblick. In diesem Augenblick verließen Fürst Jussupoff die Nerven. Wut und Haß erstickten ihn. Mit einem röchelnden Aufschrei warf er sich auf den blutenden Körper. Sein Kopf zerbarst, er wußte nicht mehr, was er tat.
    Mit aller Kraft, wie sie nur ein Irrer hat, schlug er mit dem Gummiknüppel auf Rasputin ein, immer und immer wieder, wie eine hämmernde Maschine; er zerhieb das Gesicht in einem Rausch der Vernichtung, der nichts, gar nichts mehr von Rasputin übriglassen wollte.
    Dann sank Jussupoff zurück, der Knüppel fiel aus seinen Händen. Purischkewitsch bückte sich und fing den Fürsten auf. Jussupoff hatte das Bewußtsein verloren.
    Während der Fürst ohnmächtig auf einer Liege ruhte, luden Großfürst Dimitri, Leutnant Suchotin und Dr. Lasowert die Leiche in den bereitgestellten Wagen. Wie geplant, fuhren sie

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