Die Tochter des Teufels
Taschentuch wischte sich der Abgeordnete Purischkewitsch die Stirn. Er schwitzte wie in einem römischen Dampfbad. Seine Augen quollen hervor.
»Angst?« fragte Großfürst Dimitri mit einem spöttischen Unterton. Purischkewitsch wedelte sich Luft zu.
»Ich habe keine Übung im Morden, Hoheit«, sagte er giftig.
»Denken wir daran: Es ist zum Segen Rußlands.« Fürst Jussupoff sah auf seine goldene Uhr. »Er ist ein Verräter. Er will einen Sonderfrieden mit Deutschland. Er beherrscht die Zarenfamilie! Er hat einen Einfluß, der Rußland zerstört. Wir morden nicht – wir retten das Vaterland!« Jussupoff blickte in die Runde. Noch eine Stunde, dann ist Rußland von seinem Teufel befreit. »Sie können noch gehen, Purischkewitsch!« sagte er steif. Der Abgeordnete verneinte, setzte sich und stützte den Kopf in beide Hände.
Kurz nach Mitternacht hielt der Wagen vor dem Haus Rasputins. Wie zwei Lebemänner, die aus einem fremden Haus davonschleichen, verließen wenig später Jussupoff und Rasputin die Wohnung, stiegen in das Auto, hinter dessen Steuer Dr. Lasowert wartete, und fuhren davon. Erst im hinteren Hof, wo der Wagen nach einer unsicheren Fahrt über die glatten, verschneiten Straßen hielt, wurde Rasputin gesprächig, sprang aus dem Wagen und betrachtete das Palais des Fürsten.
»Schön wohnst du, mein Kleiner!« sagte er laut.
»Kommen Sie, Grigori Jefimowitsch.« Jussupoff nahm Rasputin beim Arm und führte ihn durch eine Hintertür zu einer Treppe. In ein großes Kellergewölbe kamen sie. Eine breite Steintreppe schwang sich nach oben zu einer kleinen Tür, hinter der Lachen ertönte, Grammophonmusik, die neuesten amerikanischen Schlager. Rasputin blieb stehen und hob den Kopf.
»Du hast Gäste, mein Kleiner?«
Jussupoff nickte. »Gäste meiner Frau, sie gehen gleich. Lassen Sie uns hier warten, Grigori Jefimowitsch. Meine Frau ist begierig, Sie zu sehen und bei Ihnen zu beichten.« Er half Rasputin aus dem Pelzmantel und ging ihm dann voraus in den weiten Kellerraum.
In mühsamer Arbeit war dieses Gewölbe in den letzten Tagen ausgebaut worden. Dicke Perserteppiche lagen auf den rohen Steinquadern, die Nischen waren mit schweren Portieren verkleidet, an den Wänden hingen wertvolle Gobelins, die Möbel stellten antike Kostbarkeiten dar. Bodenvasen aus China standen umher, lederbezogene Stühle, ein paar Brokatsessel … es war ein Raum, wie ihn sich nur der reichste Mann Rußlands leisten konnte.
Mit langsamen Schritten durchmaß Rasputin den Keller. Auf dem langen, weißgedeckten Tisch standen Kristallkaraffen mit Wein, lagen Gebäck und Kuchenstückchen, funkelten Teller und silberne Bestecke.
»Machen Sie es sich bequem, Grigori Jefimowitsch«, sagte Fürst Jussupoff. Seine Stimme war belegt vor innerer Erregung. »Greifen Sie zu, Wein … Kuchen …«
Rasputin schüttelte den Kopf und ging im Zimmer umher. Vor einem Schränkchen mit vielen kleinen Schubladen blieb er stehen. Ein Kruzifix stand darauf, eine Kreuzigung aus Kristall und Silber, wertvollste Arbeit aus dem siebzehnten Jahrhundert Italiens.
»Wie schön!« sagte Rasputin mit einer fremden, kindlichen Stimme. »So etwas möchte ich auch haben. Du mußt mir so etwas beschaffen, mein Kleiner …«
Fürst Jussupoff lehnte am Tisch. Sein Herz schlug wild. Oben dröhnte das Grammophon, warteten die vier anderen Verschwörer.
Rasputin lehnte sich zurück. Seine Augen, bisher nervös, lauernd, ja ängstlich, bekamen einen sanften Schimmer. »Schenk mir ein, mein Kleiner«, sagte er mit tiefer Stimme. »Ich weiß, daß du einen guten Wein hast.« Er beugte sich vor, zog den Kuchenteller heran und nahm ein Stück Mandeltörtchen. Fürst Jussupoff goß ein Glas voll Madeira. Seine Hand zitterte nicht dabei. Mit starren Augen sah er zu, wie Rasputin in den Kuchen biß, ihn zurücklegte, den Mund verzog und sagte: »Er ist mir zu süß.« Dann griff er nach einem Schokoladentörtchen, biß hinein, nickte zufrieden und aß es auf.
»Das ist gut, mein Kleiner!« Rasputin nahm das funkelnde Glas, hielt es gegen die Kerzen und nickte. »Es ist schön, einen Freund zu haben!«
Jussupoff hielt den Atem an, als Rasputin mit einem tiefen Schluck das Glas leer trank. Das Gift, dachte er. Jetzt wirkt das Gift. Gleich muß er umfallen.
»Oh, der Madeira ist gut!« sagte Rasputin und hielt sein Glas Jussupoff entgegen. »Gib mir noch etwas davon.«
Noch viermal trank Rasputin das Glas mit dem vergifteten Wein leer, aß drei Stücke des
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