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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mächtigen Kommissar Swerdlow, war der Befehl gekommen, die Zarenfamilie in den Ural zu bringen. Der Kommandant Jakowlew begleitete den Transport von Tobolsk nach Jekaterinburg, neben dem Zar im Stroh des ersten Wagens sitzend. Alles, bis auf fünf Menschen – Dr. Botkin, Kammerdiener Trupp, Kammerfrau Demidowna, der Koch Charitonow und ein Küchenjunge – blieb in Tobolsk zurück.
    Der Zar – wer wußte das? – hatte seine letzte Reise begonnen.
    Leutnant Pertenaw, der eine Stunde später von dem Abtransport des Zaren hörte, warf sich auf sein Pferd und ritt wie der Teufel nach Podunskoje. Er jagte Gurjew aus den Armen Nadjas, trank heißen Tee, aß kaltes Fleisch, wechselte den Sattel auf ein Pferd Nadjas und ritt weiter durch das vereiste Land, nach Tjumen zu Oberst Tschuptikow.
    »Der Zar ist abtransportiert worden!« Gurjew stampfte in seiner Hauptmannsuniform mit der roten Armbinde durch das Haus. Mit ängstlichen Augen verfolgte Nadja seine Unruhe. »Nur ein paar Begleiter sind um ihn. Das wäre eine Chance! Wir zersprengen den Transport und leiten ihn um nach Süden! O verdammt, verdammt, wenn Pertenaw bloß die anderen Kameraden zusammenbekommt! Wie hungernde Kosaken werden wir über die Bolschewisten herfallen. Eine einmalige Chance ist's!«
    Aber die Gelegenheit wurde vertan. Nur sechs Offiziere bekam Pertenaw zusammen. Die anderen hatten sich vor dem Winter verkrochen wie Bären in ihre warme Erdhöhle. Keiner wußte, wo sie waren.
    Und so gelangte der Zar nach Jekaterinburg. Die festen Türen der Villa des Kaufmanns Ipatieff schlossen sich hinter ihm. Sie öffneten sich erst wieder für einen Toten.
    In dieser Zeit lungerte Nikolai Gurjew, als Revolutionsoffizier von allen in Ruhe gelassen, um die Villa Ipatieff herum, beobachtete die Wachen und sah ab und zu den Zaren oder eine der Zarentöchter am Fenster.
    Der Abschied von Nadja, die in Podunskoje blieb, war schrecklich gewesen. »Bleib, Niki!« hatte sie geschrien. »Es hat keinen Sinn mehr! Niemand kann den Zaren retten, auch du nicht! Ich bitte dich um alles, bleib! Denk an unsere Liebe, an unser Kind, das in mir wächst … Niki, ich flehe dich an …« Sie war auf die Knie gefallen, hatte seine Stiefel umklammert, hatte sich mitschleifen lassen zur Tür, denn Gurjew mußte gehen. Vor dem Tor warteten sein Pferd und Leutnant Pertenaw. Es gab kein Zurück mehr, wollte man ihn nicht Feigling und Verräter nennen.
    Ja, so war es vor zwei Wochen gewesen. Nun stand Gurjew, nur durch einen Zaun getrennt, neben dem Zaren. Der Krieg war zu Ende … die Revolutionsregierung hatte am 3. März 1918 in Brest-Litowsk den Frieden mit Deutschland unterzeichnet. Im Süden und im fernen Osten Rußlands hatten sich Armeen gebildet, die das Land von den Bolschewisten befreien wollten. Im Gegensatz zu den Roten nannten sie sich die Weißen. Admiral Koltschak und General Kornilow führten die weißen Truppen quer durch Sibirien heran, vom Schwarzen Meer, von der Kaspischen See rückten die Regimenter vor … Kosaken und Husaren, Infanterie und Artillerie … nur eine Frage der Zeit war es, wann sie die Roten geschlagen haben würden. Meldungen besagten, daß Admiral Koltschak mit Riesenschritten Sibirien durcheilte und zum Ural vorstieß.
    In diesen Tagen schickte Gurjew durch eine Aufwartefrau, der er zehn Rubel gab, einen Brief an den Zaren in die Villa Ipatieff:
    »Die Stunde ist gekommen, die Befreiung naht. Die Tage der Thronräuber sind gezählt. Die Freunde kommen. Die slawischen Armeen nähern sich immer mehr Jekaterinburg. Sie sind nur noch einige Werst von der Stadt entfernt. Der Augenblick des Handelns ist gekommen. Beschreiben Sie, welches Fenster günstig und offen ist …«
    Und der Zar antwortete, zum erstenmal, und er bewies damit, daß er im Inneren wußte, wie verzweifelt seine Lage war:
    »Das zweite Fenster von der Ecke aus, das auf den Platz hinausgeht, bleibt seit zwei Tagen sogar nachts offen. Das siebente und achte Fenster neben dem Haupteingang, die ebenso auf den Platz gehen, sind immer offen. Es ist das Zimmer des Kommandanten und seiner Gehilfen, die jetzt die Wache bilden. Es sind dreizehn, und sie sind mit Gewehren, Revolvern und Bomben bewaffnet. Keine Tür außer unserer hat einen Schlüssel. Die Wache vom Dienst macht im Haus zweimal nachts die Runde. Um ein Uhr hören wir ihre Waffen unter unseren Fenstern klirren. Auf dem Balkon steht ein Maschinengewehr und unter dem Balkon ein zweites … Benachrichtigen Sie uns auf jeden

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