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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fall, wenn es möglich sein wird. Antworten Sie, ob wir unsere Leute mitnehmen können. Vor der Tür steht immer noch ein Automobil. Jeder Posten ist durch eine Klingel mit dem Kommandanten verbunden …«
    (Originalbrief des Zaren!)
    Als Gurjew dieses Schreiben erhalten hatte, war er versucht, es zu küssen.
    Der Zar will! Er ist bereit! Er wartet auf uns!
    Nikolai Gurjew stand am Zaun der Villa Ipatieff und beobachtete die Fenster zwei und sieben, als neben ihm ein Auto hielt und vier Männer in Lederjacken und roten Armbinden heraussprangen. Er beachtete sie nicht und wunderte sich sichtlich, als sie vor ihm stehenblieben, die Gewehre im Anschlag.
    »Ihr habt Humor, Genossen«, sagte Gurjew ruhig. »Seit wann umstellt man einen Hauptmann der Roten Armee? Oder gibt es so viele Farbenblinde in der Stadt?«
    »Nikolai Gurjew?« Jankel Jurowski, der den Befehl über die Villa Ipatieff hatte, atmete tief auf. »Sie sind Gurjew?«
    »Natürlich.« Nikolai griff in die Tasche seiner Uniform. Aber einer der Revolutionäre war schneller, riß ihm die Hand hoch und schlug ihm den Revolver aus den Fingern, den er ergriffen hatte. In einem weiten Bogen flog die Waffe gegen den Zaun.
    »Ich verhafte Sie, Gurjew«, sagte Jurowski mit vor Haß heiserer Stimme. »Sie haben die Revolution verraten, Sie wollten den Zaren befreien!«
    Jurowski nickte. Die vier Männer hielten Gurjew fest, und dann tat Jurowski etwas, was für Gurjew schlimmer war als Folter und Tod … er griff zu den breiten Offiziersschulterstücken, riß sie ab, warf sie in den Schmutz der Straße und trat darauf. Dann riß er die Orden von Gurjews Brust, die rote Binde von seinem Arm, knüllte alles zusammen und schleuderte es ihm ins Gesicht. »Du Schwein!« sagte Jurowski. Er zitterte vor Wut. »Du Verräterschwein! Nicht erschießen werden wir dich, das geht zu schnell … langsam sollst du krepieren, so wie ein Kohlkopf verfault …«
    Sie stießen Gurjew in das Auto, fesselten ihn mit Stricken und fuhren mit ihm davon.
    Am 15. Juli 1918 verließen die bolschewistischen Führer der Region Ural das Zimmer 10 des Hotels ›Amerika‹ in Jekaterinburg. Jurowski, der Kommissar für Justizangelegenheiten, lächelte triumphierend. Die Würfel waren gefallen, und die anderen Konferenzteilnehmer hatten mit an dem Würfelbecher geschüttelt: Beloborodow, der ›kleine König des Ural‹, Ermakow, der Kommandant der Geheimpolizei Tscheka im Bezirk Jekaterinburg, und Woikow , der Lebensmittelkommissar des Bezirks Ural. Aus Moskau war Kommissar Goloschtscherin gekommen, als Sonderbeauftragter des Kreml, als Freund des mächtigen Swerdlow .
    »Genossen!« hatte er gesagt. »Die Zeit drängt. Die Weißrussen stehen vor den Toren! Was soll mit dem Blutsauger Nikolaus und seiner Familie geschehen, die fröhlich in der Villa Ipatieff leben?«
    »Erschießen!« sagte Jurowski ruhig. »Es gibt nur diesen einen Weg! Erschießen!«
    Die Kommissare schwiegen. Plötzlich stand ihnen kalter Schweiß auf der Stirn. Sie starrten auf die Hände Goloschtscherins, die ein weißes Stück Papier nahmen, eine Feder, sie in die Tinte tauchten und dann zu schreiben begannen.
    Verurteilt zum Tode.
    Lautlos wanderte das Papier von Hand zu Hand. Und jeder, der es erhielt, griff zur Feder, tauchte sie in die Tinte und schrieb seinen Namen unter die drei tödlichen Worte. Zuletzt Jurowski, am ganzen Körper bebend, mit dicken Schweißperlen auf der Stirn.
    »Wann …?« fragte er tonlos, als Goloschtscherin den Zettel in seine Brieftasche steckte.
    »Beim ersten Kanonendonner der Weißrussen, den man in Jekaterinburg hört!«
    Jurowski zog die Schultern hoch. Das Schicksal spielte mit … in diesem Augenblick quoll von ganz fern ein donnerndes Rollen über die Stadt. »Also sofort«, sagte er kaum hörbar. »Das ist Koltschaks Artillerie …«
    Ohne eine Antwort verließ Goloschtscherin das Zimmer. Er hatte das Seinige getan … das andere war Sache Jurowskis.
    Noch beim Hinausgehen zerbröselte der Kommissar aus Moskau das Todesurteil mit den Unterschriften in seiner Tasche zwischen den Fingern.
    Am Abend des 16. Juli 1918 verteilte Jurowski elf Nagan-Revolver an ein besonders ausgewähltes Kommando. Schwere Militärrevolver waren es, sieben Schuß in der Trommel. Die Posten rund um die Villa Ipatieff wurden informiert. »Wenn ihr Schüsse hört, Genossen, keinen Alarm! Wir sind es!«
    Die zehn Männer, die Nagans im Gürtel, rauchten stumm. Tschechen, Balten und Ungarn waren sie, ein Haufen von

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