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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seelenlosen, stumpfsinnigen Abenteurern. Sie hießen Edelstein, Waganow, Fischer, Nikulin, Fekete, Grünfeld, Verhasy, Nagy, Horwarth und Medweden.
    »Gehen wir!« sagte Jurowski heiser.
    Kurz nach elf Uhr nachts schreckten die Bewohner der Villa Ipatieff aus dem Schlaf hoch. Der Zar sprang auf und öffnete seine Tür um einen Spalt. Aus dem Treppenhaus dröhnte die Stimme Jurowskis.
    »Alle Bewohner des Hauses Ipatieff herhören!« brüllte er. »Aufstehen und anziehen! Machen Sie schnell. Bürger Romanow, es wird eine unruhige Nacht! Anziehen und herunterkommen ins Erdgeschoß! Ihre Familie kann nicht oben bleiben! Kugeln können durchs Fenster fliegen! Anziehen und reisefertig herunterkommen.«
    Geduldig wartete Jurowski in seinem Zimmer, bis der Kammerdiener Trupp meldete, daß die Zarenfamilie reisefertig sei.
    »Ich bin bereit«, sagte der Zar. Er nahm den kranken Zarewitsch auf den Arm und folgte Jurowski, der ihnen voranging, durch einen schmalen Gang, in ein Zimmer, dessen Fenster verbarrikadiert waren. Eine einsame Glühbirne, nackt und trist, erhellte notdürftig den Raum.
    Jurowski zeigte auf drei Stühle, die an der Wand standen. »Sie können sich setzen, Bürger Romanow.« Der Zar setzte sich und nahm den Zarewitsch auf den Schoß. Die Zarin sank auf den dritten Stuhl, und als sich niemand auf den mittleren Stuhl setzte, hob der Zar seinen Sohn auf den freien Sitz. Die vier Zarentöchter stellten sich hinter die Stühle, Dr. Botkin, der Leibarzt, lehnte sich an die Wand, links neben dem Zaren.
    »Dorthin!« sagte Jurowski, als sich die Dienerschaft auch zu den anderen stellen wollte. Er wies auf die andere Ecke des Raumes. Der Kammerdiener Trupp nickte.
    Jurowski verließ den Raum. »Fertig!« sagte er zu den wartenden Männern nebenan. »Gehen wir.«
    Der Zar sah Jurowski aus großen, verständnislosen Augen an. Er wollte sich erheben, aber dann legte er instinktiv den Arm um den Zarewitsch. »Was … was soll das bedeuten?« fragte er hilflos.
    »Das!« schrie Jurowski mit sich überschlagender Stimme. »Das!«
    Der Zar saß erstarrt, als Jurowskis erster Schuß ihn traf. Im selben Augenblick schossen auch die anderen zehn, wahllos, wie in einem Blutrausch, bis die Magazine leer waren.
    Der letzte, der lebte, war der kleine Hund Jimmy. In den verkrampften Händen Anastasias hockte er und bellte schrill. Mit einem Gewehrkolben wurde er erschlagen, aber er biß noch einem der Mörder in den Finger, ehe man seinen kleinen Kopf zerschmetterte.
    Jurowski sah wieder auf seine Uhr.
    1 Uhr 15. Der 17. Juli 1918.
    Der wahre Todestag Rußlands!
    Eine Stunde später rollten unbeleuchtete Lastwagen aus Jekaterinburg hinaus in die Wälder von Koptiaki. Mitten in der Wildnis des Urwaldes warf man die Leichen auf den Boden, schnitt ihnen die Kleider von den blutigen Körpern, übergoß sie mit Schwefelsäure und verbrannte den Rest. In einen alten Bergwerksstollen schüttete man die Asche und schaufelte Erde darüber.
    Am 25. Juli eroberten die weißrussischen Truppen Jekaterinburg. Eine berittene Abteilung raste durch die Stadt, den Wosnessensky-Prospekt hinunter, zur Villa Ipatieff.
    Sie kamen acht Tage zu spät.
    Von den roten Bataillonen war nichts mehr zu sehen.
    Ein Brief kam in Podunskoje an. Sommerhitze brütete über dem Land, der Tobol dampfte, die Bauern stöhnten, denn die Ernte verbrannte ihnen.
    »Kein Absender, Nadja Grigorijewna«, sagte der Postbote. »Aber gestempelt ist er in Tjumen.«
    Nadja nickte, gab dem Boten zehn Kopeken, und das war viel, drehte den Brief in den Fingern und zögerte, ihn aufzuschlitzen.
    Von Nikolai hatte sie nichts mehr gehört. Die Wochen der Sorge und des Wartens waren unendlich lang gewesen, aber als sie sich entschloß, selbst nach Jekaterinburg zu fahren, rollte der Krieg Weiß gegen Rot zum Ural. Unmöglich war es, durch die kämpfenden Fronten zu kommen.
    Und nun kam der Brief. Aus Tjumen. Ein graues, billiges Kuvert, beschrieben mit einer kratzigen Feder.
    Nadja riß den Brief auf. Als sie den Brief gelesen hatte, steckte sie das Papier zwischen ihre Brüste, rannte in den Stall, sattelte ›Boris‹, den stärksten Gaul, rannte zurück ins Haus, zerrte den gepackten Sack aus dem Schrank, zog ihre Reitkleider an und warf sich auf das Pferd. Wie ein betrunkener Kosak ritt sie zur Kirche und riß Väterchen Pjotr aus einem Mittagsschlaf.
    »Er lebt!« schrie sie, riß den Brief aus der Bluse und hielt ihn dem Popen hin. »Hier … eine Nachricht! Nikolai Gurjew

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