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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Georgijewitsch?«
    »Nein!« Gurjew schlug die Hände vors Gesicht. »Ich konnte es nicht! Pertenaw, begreifen Sie doch … er war so voller Zuversicht, so voller Glauben an das Gute, so kindlich in der Erwartung … ich konnte ihm diese Hoffnung nicht zerstören! Er hätte es auch nicht geglaubt.«
    »Und was nun?« fragte Leutnant Pertenaw leise.
    »Wir müssen ihn mit Gewalt entführen.«
    Gurjew und Pertenaw sahen sich stumm an. Sie wußten, was die Ablehnung Lloyd Georges bedeutete: das Todesurteil für den Zaren.
    Wenn man nicht half. Schnell half. Sofort half.
    In Podunskoje erwartete Gurjew eine neue Hiobsbotschaft: Nadja hatte es nicht geschafft, den Kaufmann Kolosichin zum sofortigen Kauf des Gutes der Woronzowa zu bewegen. »Warten wir noch ein Weilchen, Nadja Grigorijewna«, hatte der fette Halsabschneider lächelnd gesagt, als er ging. »In einem Jahr kostet es die Hälfte. Die Zeiten ändern sich. Wer will noch Großgrundbesitzer sein? Ein Glück, daß die Revolutionsführer meine Freunde sind!«
    Aber ohne Geld war der Zar nicht gewaltsam zu befreien, und freiwillig verließ er Tobolsk nicht.
    »Es hat keinen Sinn, Freunde«, sagte Oberst Tschuptikow, der von Jalta heraufgekommen war. »Wir sollen Geld aus Frankreich bekommen. Aber erst im Januar. Sinnlos ist es aber, im Winter, bei Schneesturm und vereisten Straßen mit der Zarenfamilie quer durch Rußland zu flüchten. Die Großfürstinnen, vor allem aber der Zarewitsch, werden es nicht aushalten! Wir müssen also warten auf das nächste Frühjahr. Gebe Gott, daß es uns dann gelingt. Wir werden dann auch mehr freiwillige Helfer haben, denn diese Revolution zerfleischt sich selbst …«
    Der Winter raste über das Land. Mit heulendem Sturm, mit Eiskristallen, mit wirbelnden Bergen von Schnee. Die Fenster wurden wie jedes Jahr von innen verklebt, die Häuser versanken im Schnee, die Flüsse froren zu, in der Taiga begannen wieder die Wölfe zu heulen, die Riesenbäume starben stehend bis zum nächsten Frühjahr, bis zu ihrer Auferstehung.
    Am 25. und 26. Oktober 1917 erschütterte die zweite Revolution das hungernde Rußland. Die Bolschewisten unter Lenin stürmten das Winterpalais in Petersburg, die Provisorische Regierung zerstob in alle Winde, Kerenskij flüchtete in Frauenkleidern, die neue sowjetische Republik wurde ausgerufen, Soldaten plünderten die Zarenpaläste, zerstörten sinnlos wertvollste Kunstschätze und brachen die Weinkeller auf. Sie soffen, bis einige von ihnen an Alkoholvergiftung starben. Den Rest des Weines, alte, kostbare Flaschen aus aller Welt, warfen sie in die Newa.
    Die radikalste Neuordnung, die je über ein Land gekommen war, marschierte unaufhaltsam und sternförmig durch Rußland.
    Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
    Es gibt keinen Besitz mehr – alles gehört dem Volk!
    Die neue Zeit hatte begonnen.
    Erst zwei Wochen später kamen die ersten Nachrichten in das durch Schnee und Eis von der Umwelt abgeschlossene Tobolsk. Ein neuer Kommissar als Kommandant des Gouverneurshauses reiste von Moskau heran, dem neuen Sitz der Regierung. Jakowlew hieß er. Er sperrte sofort alle Vergünstigungen, er befahl, daß die Zarenfamilie das Soldatenessen bekam, er erklärte dem Zaren, daß er ein Gefangener sei und weiter nichts.
    Über Podunskoje wehte der Schneewind. Das Thermometer zeigte fünfunddreißig Grad Frost.
    Die Nächte waren lang, länger als die blassen, vom Sturm umheulten Tage. Zugeschneit in ihrem großen Haus, lagen Nikolai und Nadja in ihrem breiten warmen Bett und sahen nicht den Winter, sondern nur ihre Augen, ihre Körper, ihre wundervolle Liebe.
    Im Februar war's, als Nadja sich aufrichtete und in das Licht blinzelte.
    »Ich wünsche mir ein Mädchen, Niki«, sagte sie zärtlich und dehnte sich in den blassen Strahlen, die schräg ins Zimmer fielen. »Ein Mädchen muß es sein. Es soll nur wissen, was Liebe ist. Ein Junge denkt an Soldaten, an Kriege, an Revolutionen! Nein, es soll kein Junge werden! Ein Mädchen! Sag, wird es ein Mädchen?«
    Gurjew lachte leise. Er zog den schlanken weißen Körper an sich und vergrub sein Gesicht darin. Er roch nach Aprikosen und frischem Moos, dieser junge, bebende, ihm gehörende, warme Leib.
    Am 26. April 1918, früh um vier Uhr, verließen sieben offene, primitive Kutschen mit struppigen Pferdchen davor das Gouverneurshaus von Tobolsk. Soldaten und Offiziere zu Pferd gaben der kleinen Karawane das Geleit.
    Der Zar verließ die Stadt. Aus Moskau, von dem

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