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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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was ist das alles?« fragte Gurjew heiser. »Was machen sie mit mir …«
    »Steig ein, Niki.« Nadja rückte etwas zur Seite. »Unsere Gäste kommen in einer Stunde …«
    Mit steifen Beinen kletterte Gurjew in die Kalesche. Der Kutscher, ein Feldwebel der Husaren, schnalzte mit der Zunge, die beiden geschmückten Pferde zogen an, liefen einen Kreis und verließen das Straflager.
    Das Zeltdorf der Burjäten lag in der Nähe von Sobolinskaja, an der einzigen Straße, die nach Taptugarv an der Bahnlinie führte. Man war erstaunt über den Besuch, der da auf einem struppigen, schwitzenden Pferdchen herangesprengt war. Der Häuptling des Stammes, ein uralter Mann mit geflochtenen weißen Haaren und schwarzen Zähnen, empfing ihn in seiner großen Ältestenjurte, bot ihm einen Holzbecher Ziegeltee an und betrachtete dann stumm das merkwürdige Wesen.
    Ein menschliches Gesicht hat er ja, dachte der Alte. Aber diese Augen sind irr, und der wilde Bart ist seit Jahren nicht gepflegt, und was er auf dem langen, dürren Leib trägt, ist wie ein Kaftan, so wie ihn die Juden in Birobidschan tragen. Aber ein Jude ist er nicht … er kommt nicht mit einem Wagen voller Waren, sondern allein mit einem dreckigen, ausgemergelten Pferd! Ein seltenes Geschöpf.
    »Ich heiße Genjka«, sagte der merkwürdige Mensch, nachdem er mit Widerwillen den Ziegeltee getrunken hatte, ein Gesöff aus brauner Brühe, ranzigem Fett, Pfeffer, Salz und Milch. »Kennt ihr Rasputin?«
    Der Alte schüttelte den runden gelben Kopf. Um seine geschlitzten Mongolenaugen wirbelten die weißen Haare. »Wer soll das sein?« fragte er.
    »Seid ihr rot oder weiß?« fragte Genjka, der Mönch.
    »Gelb, Brüderchen, gelb, du siehst es doch!« Der alte Burjäte nahm einen tiefen Schluck seines Ziegeltees.
    »Bist du Bolschewist?« fragte Genjka. Seine Augen flimmerten.
    »Was kümmert mich das?« Der Alte wischte sich die Hände an seiner Lederkleidung ab.
    »Es gibt ganz in der Nähe zwei Menschen, auf deren Kopf die Bolschewisten tausend Rubel gesetzt haben.« Genjka, der Mönch, beugte sich vor. Seine Stimme bebte. »Mit einem Wagen und zwei Pferden ziehen sie in Kürze hier vorbei. Ihr braucht sie nur einzufangen und bei den Bolschewisten abzuliefern, und tausend Rubel bekommt ihr in die Hand.«
    »Wer sind diese beiden Menschen?« fragte der Alte ruhig.
    »Feinde des Volkes! Ausbeuter! Blutsauger!«
    »Und tausend Rubel?«
    »Der Kommandant von Irkutsk zahlt sie euch sofort.«
    »Irkutsk ist weit.«
    Genjka zögerte. Dann griff er unter seinen zerfetzten Soutanenrock und zog ein Bündel Geldscheine hervor. Er legte sie einzeln neben die steinerne Feuerstelle. Stumm betrachtete der Alte die knochigen Hände Genjkas, die das Geld abzählten.
    »Dreihundert Rubel als Anzahlung«, sagte der irre Mönch. Dann legte er beide Hände über die Scheine und starrte den Burjätenhäuptling an. »Ich habe einen Auftrag, einen heiligen Auftrag, mein Alter. Ich kann nicht sterben, solange noch jemand von der Sippe Rasputins lebt! Es gibt für mich keine Zeiten mehr, keine Jahre, keine Grenzen, bis mein heiliger Auftrag erfüllt ist. Tausend Rubel … was bedeutet das für deinen Stamm!«
    »Wir wären reich.« Der Alte holte eine Holzpfeife aus dem Lederwams, füllte sie mit einem groben goldgelben Tabak und entzündete sie am offenen Feuer. »Wo sind die beiden Menschen?«
    »Im Wald. Auf dem Weg zur Bahnlinie.«
    »Bewaffnet?«
    »Sie haben Pistolen und ein Gewehr.«
    »Und wenn wir sie töten müssen?«
    Die Augen des irren Genjka flammten auf. »Schickt ihre Köpfe nach Irkutsk. Sie genügen. Wenn es sein muß, bringe ich ihren Kopf selbst in die Stadt.«
    »Ihren Kopf?« Der Alte zog die Pfeife aus dem Mund. »Einer ist eine Frau?«
    »Ja. Nikolai und Nadja Gurjewa.«
    »Wir sollen eine Frau töten? Was verlangst du? Nimm dein Geld und geh!«
    »Dann fangt sie ein und liefert sie ab!« schrie Genjka. Er sprang auf, die Soutane flatterte um seinen dürren Körper. Gespenstisch sah sein knochiges bleiches Gesicht im Feuerschein aus. »Tausend Rubel! Wer hat euch jemals für zwei erbärmliche Menschenleben tausend Rubel geboten?«
    »Niemand.« Auch der Alte erhob sich. »Ich werde es mit dem Stammesrat besprechen. Das Geld laß neben dem Feuer liegen. Ich nehme es erst, wenn wir abreiten wollen! Wir sind ehrliche Menschen!«
    Bis zum Abend wartete Genjka auf eine Nachricht. Man hatte ihm eine kleine Jurte gegeben … dort lag er auf einem Kamelfell, aß Rauchfleisch und

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