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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gerundete, weißblinkende Hügel, die sich im derben Stoff des Hemdes verloren und doch gegenwärtig waren. An den Füßen hatte sie gestickte mongolische Pantoffel.
    Vor der Hütte knirschten Schritte durch den verharschten Schnee. Zwei Männerstimmen … dann das schreckliche Klirren der Ketten.
    Gurjew kam. Nikolai … o Nikolai …
    Nadja blieb mitten im Zimmer stehen. Ihre Arme sanken herab. Alle Kraft verließ sie jetzt … sie spürte, wie ihr Herz gegen die Rippen trommelte, wie das Blut, wie von Feuer angetrieben, durch ihre Adern jagte.
    Das Klappern der Haustür. Schritte im Vorraum. Stimmen. Nikolais Stimme.
    Der Soldat. »Zwei Stunden, Gurjew. Ich warte hier. Ich klopfe nachher gegen die Tür …«
    O Nikolai …
    Die Tür öffnete sich knarrend. Und dann kam Gurjew herein, blieb an der Tür stehen und drückte sie mit einer Schulterbewegung zu.
    Man hatte ihm die Ketten nicht abgenommen. Um die Fußgelenke und die Handgelenke lagen die eisernen Bänder, an denen die Ketten eingehakt waren. Gurjew hatte Stofflappen daruntergeschoben, damit sie nicht die Haut aufscheuerten.
    Sie standen sich gegenüber und sahen sich stumm an. Nichts von allem, was Nadja vorbereitet hatte, sah Gurjew … das Bett nicht, den Tisch nicht, den bruzzelnden Braten, den Tannenkranz … er sah nur sie, und sie kam ihm vor wie ein Engel.
    »Wie schön du bist …«, sagte er leise. »O Himmel, wie schön du bist …«
    Das löste ihre Erstarrung. Nadja warf die Arme empor und stürzte auf ihn zu. Und auch Nikolai rannte ihr entgegen, begleitet von dem schaurigen Kettenklirren an seinen Füßen. Ganz hoch hob er die Arme mit den Ketten, ließ sie über Nadjas Kopf sinken und schloß sie mit den Ketten an seiner Brust ein. Sie spürte die Kälte des Eisens an ihrem Rücken, ihre Hände umklammerten Gurjews Gesicht, und dann küßten sie sich, als müsse in diesem Kuß der Atemhauch eines neuen Lebens liegen, als sei dieser Kuß eine Neugeburt, eine Auferstehung, eine einmalige Gnade Gottes.
    »Nadjuscha …«, stammelte Gurjew, als sie Atem holen mußten. »Oh, wie habe ich von dieser Stunde geträumt … es gibt wirklich ein Paradies auf Erden …«
    Sie ließ die Fingerspitzen über seine Lippen, seine Augen und sein Gesicht gleiten.
    »Zwei Stunden …«, sagte sie tief atmend. »Nur zwei Stunden …«
    Er hob die Arme wieder über ihren Kopf, die Ketten klirrten, und dann bückte er sich, schob die Arme unter ihren Körper, legte die schmale Gestalt in dem langen Nachthemd auf die Eisenglieder, und so trug er sie durch das Zimmer zum Bett, wiegte sie auf seinen Ketten wie ein Kind und legte sie vorsichtig auf die weißen Laken.
    Mit streichelnden Fingern zog sie Gurjew aus, und dann lag er neben ihr, die Arme mit den Ketten über ihrem Kopf, während sie sich von seinen Fußketten abstemmte wie ein schaukelndes Kind.
    Der Braten auf dem Feuer, die gespickte Renhirschkeule, verkohlte …
    Im April 1919 war es – von der Mongolei stürmte schon der Frühlingswind, das Eis auf dem Amur krachte, und aus den Urwäldern bei Ust-Tschenaja lief das Schmelzwasser in gurgelden Bächen –, da erschien plötzlich General Ryschikow im Lager.
    Gurjew arbeitete an der Bahnlinie; als Auszeichnung hatte man ihn nicht zur Gleiskolonne eingeteilt, sondern als Vorarbeiter in dem Sägewerk, das die Bohlen für die Gleisunterlagen schnitt. Es war eine gute Arbeit, die nicht den Körper auslaugte im Wind und im Frost.
    Nadja sah erstaunt auf, als ohne Anmeldung plötzlich General Ryschikow in ihr Holzhaus kam, allein, noch grauer geworden und mit neuen Falten in dem hageren Gesicht. Er kam allein, seinen Adjutanten ließ er draußen im Troikaschlitten warten.
    »Sie haben es schön hier, Madame«, sagte er nach einem langen Rundblick. »Eine Puppenstube mitten in Sibirien.«
    Nadja legte ihre Arbeit auf den Tisch; sie strickte an einem Pullover für Nikolai, aus dicker Schafwolle, mit doppeltem Rollkragen für die gnadenlosen sibirischen Winter. Dann ging sie zum Ofen, holte einen Teller mit Bratäpfeln aus der Röhre und stellte einen Krug mit sibirischem Birkenwein vor Ryschikow. Der General nahm einen der köstlich duftenden Äpfel, biß hinein und sah an Nadja vorbei auf die Ikone in der Ecke und auf ein Bild der Zarin Alexandra Feodorowna.
    »Es ist alles Mist!« sagte er laut. »Verzeihen Sie, Madame.«
    »Das klingt mutlos, Exzellenz. Was ist geschehen?« Nadja setzte sich dem General gegenüber. Eine Ahnung ließ sie innerlich zittern.

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