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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trank kühles Quellwasser. Schließlich schlief er ein.
    So hörte er nicht, wie ein Reitertrupp von zwanzig Burjäten das Zeltdorf verließ und hinaus in die Nacht galoppierte.
    »Ihr bringt die Gefangenen selbst nach Irkutsk!« hatte der Ältestenrat befohlen. »Und ihr kassiert auch die tausend Rubel!«
    Für Nadja und Nikolai gab es kein Entrinnen mehr.
    Acht Tage lang waren sie unterwegs. Ängstlich vermieden sie alle menschlichen Ansiedlungen. Sahen sie Rauchfahnen von fern – meistens waren es kleine Burjätenstämme in ihren Jurten –, schlugen sie einen weiten Bogen und verkrochen sich weiter in den Wald. Nadja kochte auf einem Petroleumkocher die Mahlzeiten, aber erst wenn Nikolai mit einem der ausgespannten Pferde kreuz und quer umhergeritten war und ausgespäht hatte, daß sie wirklich allein waren, nur beobachtet von den Tieren der Taiga.
    Bevor sie sich aneinanderschmiegten in ihrem Panjewagen und einschliefen, jeder von der Wärme des anderen beglückt, sprachen sie oft über die Zukunft.
    »Ich habe nichts gelernt, als Offizier zu sein«, sagte Gurjew dann. »Und du bist erzogen am Zarenhof, ein Luxusgeschöpf in Seiden und Spitzen … Was soll nur aus uns werden?«
    »Ich hatte einen Vater, der ein sibirischer Muschik war«, erwiderte Nadja. »Er hatte die Kräfte eines Bären, den Mut des Tigers und das Herz eines Wolfes. In mir ist etwas davon zurückgeblieben. Hast du Angst, Niki?«
    »Ich überlege, was ich tun könnte, um uns zu ernähren. Welche Fähigkeiten habe ich sonst noch außer dem Kommandieren, dem Reiten, dem Träumen und dem Tragen einer Uniform? Ich habe mich nie für Technik interessiert, die Mathematik war ein Greuel für mich, die Arbeit in den Schreibstuben widerte mich an, zum Handel fehlt mir der Begriff des Geldes, zum Handwerker jedes Geschick … genau betrachtet bin ich eine Null, Nadjuscha. Ja, das bin ich! Ich werde eine riesige Null sein, wenn ich die Uniform ausziehe.«
    »Du bist Niki, mein Mann!« sagte Nadja zärtlich. »Du hast den Kopf eines Römers, den Körper eines Griechen, den Gang eines Spaniers und den Blick eines Deutschen. Und du kannst tanzen wie ein Wiener und reiten wie ein Kosak vom Don. Ist das nicht genug Kapital, Niki?«
    Gurjew starrte in die Sterne, die durch die Baumwipfel flimmerten. Er zog die Decke fester um sich und Nadja, nahm ihre kalte Hand und legte sie auf seine Brust.
    »Tanzen und reiten, das wäre ein Beruf, Nadjuscha. Man sollte es sich überlegen. Wenn wir Rußland verlassen müssen … irgendwo auf der Welt könnte ein Platz frei sein für einen Tanzlehrer und für einen vom roten Wind weggewehten Hauptmann, der verwöhnten Töchtern beibringt, wie man im Sattel bleibt, durch sanftes Gelände trabt und nachher beim Ball erzählen kann, wie herrlich die Welt auf dem Rücken eines Pferdes ist … O Gott, Nadja, was wird aus uns werden …«
    Am neunten Tag hörten sie Pferdegetrappel. Sie hielten an, mitten im Wald, zogen Pferde und Wagen in eine Buschgruppe und holten zum erstenmal ihre Waffen aus den Säcken. Nicht weit von ihnen, zwischen den Stämmen hindurchreitend in langer Reihe, sahen sie dann kleine, über die Pferdehälse gebückte Reiter, in lederner Kleidung und mit spitzen Mützen.
    »Burjäten«, flüsterte Nikolai. Er stand hinter einem dicken Baum, das entsicherte Gewehr in den Händen, bereit, sofort zu schießen. Hinter ihm stand Nadja, in jeder Hand eine Pistole, die Zeigefinger um den Abzug gekrümmt. »Sie reiten vorbei … Aber wieso kommen hier Burjäten entlang? Was machen sie im Wald? Ihr Gebiet ist die Ebene an den Flüssen …«
    Es gab eine schnelle Antwort.
    Im Gebüsch wieherte eines der Pferdchen.
    Als habe man sie beschossen, wirbelten die Burjäten umher. Aus dem Galopp heraus rissen sie ihre kleinen Pferde herum.
    Gurjew legte sein Gewehr an die Wange. Aber bevor er schoß, zählte er die Reiter, und er kam nicht zurecht mit ihrer Zahl, so wimmelte es zwischen den Baumstämmen durcheinander.
    Ein Burjäte löste sich aus der Gruppe und ritt langsam heran. An einem Speer trug er einen weißen Fetzen, blieb zehn Meter von Nikolai entfernt stehen und sah um sich. Dann legte er die Hand wie einen Trichter vor den Mund und rief in den Wald hinein.
    »Komm heraus, Brüderchen!« schrie er mit kindlich heller Stimme. »Wehr dich nicht. Was soll's? Du kannst zehn von uns erschießen … zwanzig werden dich überwältigen! Und denk an deine Frau, Brüderchen. Laß sie nicht leiden, weil du mutig sein

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