Die Tochter des Tuchhandlers
an dieser Stelle breit und tief war. Während er sich in dem trüben Wasser auf dem Rücken treiben lieÃ, betrachtete er die sanft ansteigenden Weinberge der Umgebung. Am südlichen Ufer des Po wuchsen Croatina-, Barbera- und Rara-Trauben. Nach geheimen Rezepten wurde aus ihnen der unvergleichliche Rosso dellâOltrepò gemischt. Tomeo schloss die Augen. Etwas Hartes stieà an seinen Kopf und zerstörte jäh seinen Tagtraum.
Er warf sich im Wasser herum und sah sich einem Baumstamm gegenüber, an dem ein Tuchfetzen hing. In böser Vorahnung schwamm er um den Stamm herum und fand den aufgedunsenen Körper eines Mannes in den Ãsten verhakt. Angewidert stieà Tomeo das Holz mit seiner toten Fracht in die Flussmitte und schwamm mit schnellen, kräftigen Bewegungen zum Ufer zurück, wo Gian Marco es sich in der Sonne bequem gemacht hatte.
»So schnell zurück, capitano ? Ihr schwimmt doch sonst stundenlang.« Der Bursche knabberte an einem Grashalm und lag entspannt auf dem Rücken.
Missmutig glitt Tomeo neben seinem Burschen ins Gras. »Mir ist die Lust aufs Schwimmen für heute vergangen, nachdem ich nähere Bekanntschaft mit einer Wasserleiche gemacht habe ⦠«
»Für einen capitano seid Ihr nicht sehr hartgesotten.«
»Für einen Burschen hast du ein ziemlich loses Mundwerk.«
»Ich wollte eigentlich nur sagen, dass Ihr im Gegensatz zu den Landsknechten und Spaniern immer noch ein Edelmann seid. Ich meine, der Krieg hat Euch nicht zu einem verrohten, brutalen, Frauen verachtenden Schlächter gemacht.«
Ein trockenes Lachen entrang sich Tomeos Kehle. »Ein Chorknabe bin ich auch nicht gerade â¦Â«
»Ihr wisst, was ich meine.« Gian Marco stützte sich auf einen Ellbogen und sah seinen capitano an. »Die anderen gehen zu den Huren oder nehmen sich die Frauen der Bauern, wenn es sie juckt â Ihr nicht. Die anderen Hauptleute haben alle ihre Liebchen oder gehen â¦Â«
»Was soll das, Gian Marco? Seit wann sorgst du dich um mein Liebesleben?«
»Ich finde, dass Ihr seit Genua, nein, seitdem Ihr das letzte Mal in Lucca wart, verändert seid. Nicht meine Sache, ist mir nur aufgefallen.«
»Das ist dir aufgefallen, was? Mir ist aufgefallen, dass du faul und träge wirst. Kümmer dich lieber um unsere Pferde. Das Zaumzeug muss gefettet, die Sättel müssen dringend gereinigt werden. Na los, beweg dich!«
Murrend stand Gian Marco auf und trottete davon. Tomeo starrte in den wolkenlosen Himmel und spürte die Wärme der Nachmittagssonne auf seiner feuchten Haut. Gian Marco mochte vorlaut sein, dumm war er nicht. Sacht strich Tomeo über das Gras und dachte dabei an Augen, deren Blau dem der Kornblumen glich, und milchweiÃe Haut, die er sich weich wie Seide vorstellte. Zum ersten Mal in seinem Leben beneidete er seinen Bruder. Es hatte ihn nie gestört, der jüngste Sohn zu sein. Das Kriegshandwerk war verlockend gewesen, aufregender als das Leben eines Kaufmanns in Lucca oder Antwerpen. Verantwortung musste er nur für seine Männer übernehmen, nicht für eine Familie, für Kontobücher, Warenein- und -ausgänge, schlechte Ernten oder verschollene Schiffsladungen. Aber bis heute hatte es auch keinen Menschen gegeben, für den er seine Freiheit geopfert hätte.
Es musste an der Warterei liegen, dass er sich mit solchen Narreteien abgab. Schöne, begehrenswerte Frauen fanden sich überall. Und es gab genügend Weiber, die sich nur allzu gern zu ihm legten. Aber er hatte es nicht nötig, seine Manneskraft vor Gian Marco unter Beweis zu stellen. Entschlossen stand Tomeo auf, zog sich Hemd und Stiefel an und marschierte zurück zum Lager. Inmitten von Hütten und Verschlägen standen die groÃen Zelte der Kommandeure, von denen die meisten jedoch im Schloss Quartier genommen hatten. Eine weise Entscheidung, bedachte man die harten Feldbetten und das schlechte Essen.
Vom Fluss zum Lager waren es knapp dreihundert Meter, Belgioioso lag drei Kilometer entfernt. Von dem ausgedehnten Wäldchen nahe der Stadt hatten die Söldner bereits die Hälfte der Bäume gefällt, um an Brennholz zu kommen. Niemand wagte es, sich den bärbeiÃigen Männern mit ihren wilden Bärten, Ãxten und Schwertern in den Weg zu stellen. Die Stadtherren waren dankbar, dass die Stadt selbst bisher noch nicht vollends geplündert worden war. Aber auch das war nur
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