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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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noch eine Frage der Zeit. Tomeo stapfte durch den Morast, der sich zwischen den Zelten gebildet hatte, und nahm die respektvolle Begrüßung durch die meisten der Söldner zur Kenntnis. Persönliche Bequemlichkeit war eine Sache, den Respekt der Truppe errang man sich dadurch nicht. Der am meisten geschätzte und bewunderte condottiere war Giovanni delle Bande Nere, und der schlief immer bei seinen Soldaten.
    Ein grauhaariger Soldat kam mit grimmiger Miene auf ihn zu. »Eh, capitano ! Endlich finde ich Euch! Mein Herr, Markgraf Avalos de Pescara, will Euch sprechen!«
    Jeder im Lager kannte den altgedienten Bettuccio, seit Jahren Bursche und attendente Pescaras. Tomeo wusste, dass Bettuccio nicht ohne triftigen Grund nach ihm gesucht hatte. Pescara steckte bis zum Hals in den politischen Irrungen und Wirrungen dieses Feldzugs und hielt unnötige oder belastende Informationen eher zurück, als dass er damit seine Leute in Aufruhr versetzt hätte. Was auch immer es gab, es war mit Sicherheit von Bedeutung. »Gib mir eine Minute, damit ich trockene Hosen anziehen kann.«
    Nachdem er sich umgekleidet hatte, fuhr er sich mit den Händen durch die dichten Locken, die dringend eines Schnitts bedurften, doch das hatte Zeit. »Gehen wir.«
    Tomeo versuchte gar nicht erst, den Alten auszufragen, sondern folgte Bettuccio wortlos über die schlammigen Wege hinauf zum castello , in dem die Heerführer sich einquartiert hatten. Angewidert wandte er den Blick von halbnackten Huren, die sich den Söldnern anboten, verschmutzten Kindern mit hungrigen Augen und einem Bader, der mit einem Lederbeutel voller grotesker Instrumente umherlief und sein grausiges Handwerk anpries. Mit blutverschmiertem Lederschurz näherte sich der Bader und entblößte beim Grinsen eine Reihe verfaulter Zahnstumpen. »Braucht Ihr mich, capitano ? Ich amputiere und repariere alles.«
    Â»Scher dich zum Teufel! Aber wahrscheinlich hat der auch keine Verwendung für dich …« Tomeo hörte das Fluchen des Mannes noch, als er schon die Reste der einstigen Parkmauer durchschritten hatte und die grasenden Pferde der Heerführer erblickte.
    Ãœber dem Eingang des Castello di Belgioioso prangte das Wappen der Sforza, eine blaue Schlange mit einem roten Sarazenenkind im Mund. Die Symbole waren Augenwischerei, denn die Schlange gehörte zum Wappen der Visconti, die den Sforza durch Heirat erst zu Adel verholfen hatten. Solange die Fürsten die Kaiserlichen unterstützten, war Tomeo alles andere egal.
    Pescara lag in einem Seitenflügel des Schlosses auf einem Tagesbett in einem Raum, dessen Decken mit Jagdszenen geschmückt waren. Bettuccio stellte sich vor der Tür auf, bereit, sofort auf einen Befehl seines Herrn zu reagieren.
    Â» Comandante , gibt es Neuigkeiten vom Kaiser?« Tomeo versuchte, sich sein Erschrecken über die Blässe und die dunklen Schatten unter den Augen Pescaras nicht anmerken zu lassen. Der Mann, der vor ihm auf dem Bett lag und sich mühsam auf die Ellbogen stützte, war schwer krank. Ob es die Verwundung aus der Schlacht war, die Pescara noch zu schaffen machte, oder eine Erkrankung, die er sich danach zugezogen hatte, vermochte Tomeo nicht zu sagen, doch der Zustand Pescaras war besorgniserregend.
    Der comandante räusperte sich, strich sich über seinen Spitzbart, wie er es immer tat, wenn er nachdachte, und zeigte auf einen Sessel. »Setzt Euch, capitano, und schenkt uns von dem Wein ein, der auf dem Tisch neben Euch steht.«
    Auf dem Flur war das Trampeln von Stiefeln zu hören, Geschirr klapperte, und jemand rief laut nach einem Dienstboten. Bedachtsam goss Tomeo dunkelroten Wein in zwei dickwandige Gläser und stand auf, um Pescara eines zu reichen. Sie tranken, was einen leichten Hustenanfall bei Pescara auslöste, doch er fing sich schnell wieder und sah Tomeo prüfend an. »Macht nicht so ein Gesicht, noch sterbe ich nicht. Die verfluchte Wunde hat mich zu lange ans Bett gefesselt. Andere Dinge bereiten mir mehr Sorgen.«
    Mühsam setzte Pescara sich auf. Er war eine beeindruckende Erscheinung und verbreitete selbst geschwächt eine Autorität, die ihm bei allem, was er tat, zugutekam. Man konnte ihm nachsagen, dass er intrigant und manchmal grausam war, doch für seine Loyalität Kaiser Karl V. und seiner Familie gegenüber hätte Tomeo die Hand ins Feuer gelegt. Fernando de Avalos, Markgraf von Pescara, war ein

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