Die Tochter des Tuchhandlers
käme damit einem Fürstenhof gleich. Das Haus ihrer Familie war kleiner, doch Beatrice wusste sehr wohl einzuschätzen, wann sie sich unter Menschen von wirklicher grandezza befand.
Farini schritt mit gewichtiger Miene durch die weit geöffneten Türen des Festsaals im Erdgeschoss und kündigte sie an. Musik spielte, und bunt ausstaffierte Kinder warfen Blumen, während Federico Buornardi ihr entgegenkam, um sie ans Ende der Tafel zu führen, die hufeisenförmig in einer Hälfte des Saales angeordnet war. In den folgenden Stunden begrüÃte Beatrice bekannte und unbekannte Gesichter, bemühte sich vergeblich, alle Namen im Gedächtnis zu behalten, und nahm höflich Glückwünsche und Geschenke, die in einem gesonderten Raum aufgebaut wurden, entgegen. Unter den illustren Gästen fanden sich Vertreter der führenden Luccheser Familien, und sogar der Marchese Gadino del Connucci gab sich die Ehre.
Der Marchese hatte den Ruf eines Lebemanns, Kunstkenners und politischen Rebellen, denn er und seine Anhänger sprachen sich in letzter Zeit öffentlich für ein unabhängiges und selbstbestimmtes Italien aus. Dahinter stand der Wunsch, sich vom Einfluss der Habsburger und Franzosen zu befreien. Mit dieser Politik stieÃen der Marchese und seine Freunde zwangsläufig auf den Widerstand von Ghibellinen und Guelfen, die den teuer erkauften Schutz von Kaiser und Papst nicht aufgeben wollten. Aber der Marchese war auch ein Mann, der gern im Mittelpunkt des Interesses stand, und kontroverse Diskussionen gaben dazu einen guten Anlass. Connucci verneigte sich elegant vor Beatrice und reichte ihr eine weiÃe Rose. Gewelltes Haar fiel ihm weich in die Stirn, die eng anliegenden Hosen und ein kurzes, modisches Wams schmeichelten seiner Figur. Als exzellenter Fechter und Reiter hatte er sich einen Ruf erworben, der über Luccas Grenzen hinausging.
»Selbst diese Blume verblasst neben Eurer Schönheit, edle Beatrice. Euer Gatte ist zu beneiden und wird Euch hoffentlich nicht in diesen Mauern verstecken. Ich gebe im Frühjahr eine kleine Festivität, bei der ich Euch nur zu gerne begrüÃen würde. Die offizielle Einladung wird Euch selbstverständlich noch zugestellt werden.«
»Wie freundlich von Euch, Marchese.« Beatrice sah sich hilfesuchend nach Federico um, der jedoch in ein Gespräch mit dem gonfaloniere Ser Cenami, dem Vorsitzenden der anziani , des Ãltestenrats der Stadt, vertieft war.
Connucci bemerkte ihre Unsicherheit. »Federico wird kaum ablehnen, so wie ich ihn kenne.« Er lachte. »Wir haben eine bewegte gemeinsame Vergangenheit, aber vielleicht erzählt er Euch in stillen Stunden davon. Oder ich tue das â¦Â« In seinem Lächeln lag etwas Begehrliches.
Beatrice atmete schneller und drehte die Rose in ihren Händen. Bildete sie sich das nur ein, oder warfen einige der jüngeren Frauen ihr neidische Blicke zu? Connucci war einer der attraktivsten Männer Luccas, doch sie war eine verheiratete Frau und hatte nicht vor, ihre Ehe oder sich selbst durch eine Affäre zu gefährden. Vor wenigen Wochen erst hatte sie von der florentinischen Contessina Lucrezia gehört, die von ihrem Mann in einem Eifersuchtsanfall erwürgt worden war. Der Mann hatte den Mord als Unfall dargestellt und war ungeschoren davongekommen, und seine Tat war kein Einzelfall. Sie sah erneut zu ihrem Gatten und fing seinen Blick auf, doch er machte keine Anstalten, seine Unterhaltung zu beenden. »Wir danken Euch für die Einladung, doch ich glaube, ich sollte mich auch den anderen Gästen widmen, die geduldig warten.«
»Wie ungehörig von mir, doch man wird mir sicher verzeihen?« Connucci wandte sich mit gewinnendem Lächeln an die hinter ihm Wartenden.
Monna Vecoli trat in Begleitung ihres Mannes und ihres Sohnes Eredi vor. Zum äuÃeren Zeichen ihrer Trauer über den unglücklichen Tod ihrer Tochter Clarice trug sie noch immer einen schwarzen Schleier. Falten tiefen Grams hatten sich auf ihrem Gesicht eingegraben. Eredi stand beschützend neben ihr, bereit, sie aufzufangen, sollte sie einen Schwächeanfall erleiden. Er gehörte zum Kreis von Federicos Freunden, wie Clarice ihr erzählt hatte. Als sie ihn erblickte, wurde ihr der Tod seiner Schwester einmal mehr schmerzlich vor Augen geführt.
»Monna Vecoli, habt Dank für Euer Kommen. Ich hätte es verstanden, wenn Ihr Euch entschuldigt
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