Die Tochter des Tuchhandlers
Opfer bringen in diesen schweren Zeiten.«
Es kostete Beatrice all ihre Kraft, nicht vor ihm zu Boden zu sinken und ihn anzuflehen, seine Entscheidung zu überdenken. Er hatte sich verändert, oder aber das hier war sein wahres Gesicht. Sie spürte die Bedrohung, die von ihm ausging. Solange sein Vater am Leben gewesen war, hatte er sich beherrscht, aber seit dem Tod von Ser Buornardi und der Rückkehr von Marcina war er ein anderer geworden. »Ich habe Euch das Leben gerettet. Ohne Ansaris Kenntnisse hättet Ihr Euer Bein verloren. Habt Ihr das vergessen?«
»Nein. Und deshalb lasse ich Euch Eure Tochter. Ich achte Euch, Beatrice, aber unsere Ehe ist ein Vertrag. Von Gefühlen stand darin nichts.«
Sein hartes Profil zeichnete sich gegen das Licht ab. Es hatte Augenblicke gegeben, da hatte er etwas für sie empfunden. Was auch immer es gewesen war, jetzt war nichts mehr davon übrig. Sie spürte es in seiner abweisenden Haltung, in seinem kalten, überlegten Blick, in der maÃlosen, jähzornigen Wut, in der er dazu fähig war, einen Hilflosen zu töten, denn wenn sie nicht dabei gewesen wäre, hätte er Ricardo zu Tode gepeitscht. »Entschuldigt mich, Federico.«
Sie war schon fast an der Tür, als er sagte: »Ich will einen Sohn, Beatrice. Wir haben einen Vertrag.«
Zitternd drückte sie die Tür auf. DrauÃen wartete Ines. »Kommt mit, Beatrice.« Sie legte einen Arm um die bebenden Schultern ihrer Herrin und führte sie die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Dort setzten sie sich nebeneinander aufs Bett, lagen sich in den Armen und weinten. Nach einiger Zeit schluchzten sie und schauten sich an.
»Ines, er hat gesagt â¦Â« Beatrice konnte nicht weitersprechen, sondern fing wieder an zu weinen.
»Ich weiÃ. Ich habe gelauscht. Als Ihr das von Ricardo erzähltet, hatte ich gleich ein furchtbares Gefühl. Ich wusste, dass etwas Schlimmes passiert.« Liebevoll strich sie ihrer Herrin über die Haare.
»Hast du alles gehört?«
»Alles. Und jetzt müsst Ihr mir gut zuhören. Hier geht etwas Schlimmes vor. Ich hätte auch nicht gedacht, dass so was in Eurem Mann steckt, aber jetzt ist es mal so und wir müssen damit fertig werden. Ich würde auch ohne Lohn bei Euch bleiben, das wisst Ihr!«
Beatrice nickte und streichelte über Inesâ Wangen. Sie hätte aufmerksamer zu ihr sein sollen. Ines war keine Dienerin, sondern ihre Freundin, das hatte sie ihr immer wieder bewiesen, und sie war zu überheblich gewesen, das zu erkennen.
»Uns bleibt nicht viel Zeit.« Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Er macht Euch mittellos und damit abhängig. So kann er Euch unterdrücken, und Ihr könnt gar nichts dagegen tun. Weià er von dem Siegelring der Marchesa?«
Beatrice schüttelte den Kopf.
»Gut so. Verbergt ihn vor ihm. Der Schmuck Eurer Mutter, wo ist der?«
»In der Schatulle in der Wäschetruhe.«
»Ich werde zu Ugo gehen, wenn wir in Lucca sind. Und ich nehme Euren Schmuck mit und bringe ihn zu Pater Aniani. Das machen viele. Er hat einen Raum in San Frediano, wo man Geld deponieren kann. Da kommt niemand ran.«
»Ines, er wird heute Nacht zu mir kommen, nimm jetzt gleich alles mit.«
»Die nächste Geburt würde Euch umbringen, davon bin ich überzeugt, aber ich glaube nicht, dass Ihr nach dieser Operation, die Ihr nur durch ein Wunder überlebt habt, noch Kinder bekommen könnt. Ansari wird uns mehr dazu sagen. Und wenn Euer Mann Euch zwingt â es gibt immer Wege, nicht schwanger zu werden. Hört Ihr? Ihr braucht keine Angst zu haben. Plantilla kennt viele hilfreiche Kräutertränke.« Sie drückte zuversichtlich Beatrices Hände, obwohl ihr anzusehen war, dass sie ebenfalls Angst hatte.
SchlieÃlich stand Beatrice auf und ging zur Wäschetruhe. Sie nahm die Schatulle heraus, in der sie Schmuck und Geld aufbewahrte, und gab sie, ohne zu zögern, Ines. Es gab niemanden sonst, dem sie vertrauen konnte. Vielleicht noch Ismail Ansari, aber wie es aussah, würde Federico ihn fortschicken, ohne ihr Gelegenheit zu geben, mit ihm zu sprechen. Ansari würde verstehen. Wenn alles noch schlimmer käme, konnte sie ihrem Onkel Hartmann von Altkirch schreiben, aber der war im Krieg. Zu ihren Verwandten in Florenz hatte sie nie viel Kontakt gehabt, obwohl sie sicher war, dass sie zumindest versuchen würden, ihr zu helfen. Aber eine
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