Die Tochter des Tuchhandlers
vorbei zur Küche und von dort zum Hauseingang im Hof. So langsam wie möglich drückte sie die Haustür auf und zuckte bei jedem Knarren und Quietschen mit klopfendem Herzen zusammen. SchlieÃlich war die Ãffnung breit genug, dass sie sich hindurchschieben konnte.
In der Halle wäre sie am Treppenabsatz fast über ein Bündel gestolpert. »Alba, was machst du noch hier? Rasch jetzt, zurück in die Küche, bevor dich jemand vermisst.«
Mit Augen, die sie vor Müdigkeit kaum offen halten konnte, blinzelte Alba sie an. »Warum wart Ihr so lange fort?«
»Morgen, Alba, morgen.« Beatrice strich über die dunklen Haare und schob das Mädchen zur Küche. Es musste bereits auf die Morgenstunden zugehen, und die ersten Mägde würden bald aufstehen, um Milch zu holen und die Feuerstellen anzuheizen. Vorsichtig stieg Beatrice die Treppe hinauf. Sie war im Korridor, nur wenige Türen von ihrem Schlafzimmer entfernt, als Pietro Farini aus dem zweiten Stock herunterkam.
»Schon so früh auf den Beinen, Farini? Meine Tochter hat geschrien, nur fürs Protokoll!« Damit nahm sie seine Frage vorweg, ging in das Ammenzimmer und stellte sich dort im Dunkeln hinter die Tür.
Giulia schlief tief und fest in ihrer Wiege, und die Amme lag schnarchend im Bett. Während Beatrice dort wartete, rief sie sich das Geschehen dieser Nacht noch einmal in aller Deutlichkeit ins Bewusstsein. Alberto Mari hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, um ihr von dem Komplott gegen die lucchesische Republik zu erzählen. Aus welchen Gründen er es für nötig befunden hatte, sie noch heute aufzusuchen, konnte sie nur ahnen. Er musste um seine Sicherheit, sein Leben gefürchtet haben, hatte aber sein Wohl hinter das ihrige gestellt. Dafür würde sie ihm ewig dankbar sein. Beatrice konnte die Männer nicht verstehen, die mit den Medici konspirierten. Sie alle waren Kaufleute, die von einer Stadt mit florierender Wirtschaft profitierten. Alle? Nein, da Sesto war der Spross einer mittelständischen Färberfamilie, der sich am liebsten in der Gesellschaft des Marchese und anderer Mitglieder des ersten Standes zeigte. Filippo Menobbi war ein Spieler, ein Lügner und Betrüger, der alles tun würde, um zu Geld zu kommen. Gottaneri und Valori waren neureiche Aufsteiger. Doch was wusste sie schon über die Männer, die die Stadt regierten, und deren Zwistigkeiten?
Auf dem Flur schien alles ruhig. Sie beugte sich noch einmal über ihre schlafende Tochter. Wenn Lucca unter die Herrschaft der Medici geriet, war alles, für das ihre Eltern, Tomeo und sein Vater gekämpft hatten, umsonst gewesen. Dazu durfte es nicht kommen!
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Mari hatte Federicos Blick gesehen und erwartete, dass sich sein Schicksal in den nächsten Stunden entscheiden würde. Weder von Filippo Menobbi noch von Rodolfo da Sesto war Mitleid zu erwarten. Der Knecht, ein freundlicher junger Bursche, trug eine Fackel und ahnte nicht, was vorging, das konnte Mari an seiner Unbedarftheit erkennen. Die Welt ist schlecht, mein Freund, dachte der Gelehrte, und dein Herr wird dich nicht beschützen, wenn es nicht zu seinem Vorteil ist. »Wohin gehen wir?«, fragte Mari.
Da Sesto, Menobbi und Federico steckten kurz die Köpfe zusammen. »Vorhin im Dom hattet Ihr doch eine so kluge Vermutung über den Initiator dieses Unternehmens angestellt, Mari. Nun, wir gehen jetzt zu ihm. Da Ihr schon mal hier seid, warum sollt Ihr nicht alles wissen, schlieÃlich gehört Ihr dazu, nicht wahr?« Rodolfo da Sesto grinste, schlug Mari auf die Schulter und hakte ihn unter, Menobbi nahm seinen anderen Arm, und er konnte nichts tun, als sich zu fügen, gegen die bewaffneten Männer hatte er keine Chance.
Fabio wollte mit der Fackel voran durch den Seitengang des Palazzo Buornardi auf die StraÃe treten. »Lösch die Fackel, Gimpel. Wir wollen nicht die gesamte Nachbarschaft an den Fersen haben«, zischte Federico.
Der kleine Trupp hielt sich an den Hauswänden und schien nach zwei QuerstraÃen bereits am Ziel angelangt zu sein. Alberto mühte sich vergeblich, die Hausfassade im diffusen Licht der Morgendämmerung zu erkennen. »Wo sind wir?«
Filippo Menobbi stieà ihn in die Seite. »Halt den Mund!«
Sie gingen zum Hintereingang hinter der hohen Gartenmauer, und auf ein Klopfzeichen Federicos hin wurde das Tor geöffnet. Der Knecht fragte: »Soll ich hier auf Euch
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