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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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hatte er das vergessen können? Jetzt brauchte er sie nur zu beschatten und einen günstigen Moment abzupassen. Als er den Mund aufmachte, um dem Jungen eine weitere Frage zu stellen, war dieser verschwunden. »Lumpenpack!«, fluchte Federico und ging hinaus ins Tageslicht. Im Erdgeschoss des Mietshauses war ein Fleischerladen, in dem Federico ein Stück Schinken kaufen wollte. Der große Mann mit den roten Wangen und blutiger Schürze führte eine lautstarke Diskussion mit einem sbirro , einem der unbeliebten Polizeibeamten Roms.
    Â»Jetzt gib mir mein Stück Fleisch, Aldo. Ich kann doch nichts dafür, dass der Papst dauernd die Steuern erhöht«, meinte der sbirro besänftigend.
    Aldo, der Fleischer, schwang sein langes Messer und wetterte: »Verprügeln solltet ihr diesen Papst! Solche Steuern auf das Fleisch zu schlagen! Wovon sollen wir leben, und wer kann das noch bezahlen? Diese verfluchten Pfaffen sitzen warm und trocken in ihrem Palast da drüben im Borgo, und wir können zusehen, wie wir den nächsten Tag überstehen! Unrecht ist das!«
    Wenn die öffentliche Stimmung bereits so wenig Respekt gegenüber dem Papsttum zeigte, war es bis zu einem Aufruhr nicht mehr weit. Aber Federico hatte andere Sorgen und machte sich auf den Weg zum Bezirk Rione Ponte.
    Â 
    Rom! Seit drei Tagen waren Beatrice und Alba nun in der Ewigen Stadt. Nachdem sie sich in Arezzo schweren Herzens von Tomeo getrennt hatte, war sie mit Matteo und seinen Schauspielern bis Perugia gefahren. Dort hatten sie sich einer großen Pilgergruppe angeschlossen, die zwar nur langsam vorankam, doch waren sie in sicherer Begleitung und unbehelligt bis zum heiß ersehnten Pilgerziel gelangt. Von den Pilgern hatten sie erfahren, dass Sankt Peter mit dem Petrusgrab die wichtigste der heiligen Stätten war.
    Beatrice interessierte sich nicht für die Heiligen und war heute mit Alba zur Piazza della Pace gegangen, um Santa Maria dell’Anima, die Kirche der Deutschen Nation, in der sich das Grabmal Hadrians VI., des Vorgängers von Clemens, befand, zu besuchen. In der Hallenkirche fühlte sie sich ihren Eltern nahe. Alba war in der Zwischenzeit mit Sebastiano, dem Diener von Baldassare Caprese, zum Markt gegangen.
    Beatrice wohnte nicht gern bei ihrem Onkel, einem mürrischen Einzelgänger, der sie mit verhaltener Begeisterung in seinem Haus aufgenommen hatte, aber sie hatte nicht genug Geld, um sich eine anständige Unterkunft zu leisten, und sie hatte Angst, allein mit Alba hier in Rom bei Fremden Quartier zu nehmen. Capreses Haus lag im Rione Ponte, dem toskanischen Viertel, zwischen den Wohnsitzen florentinischer Bankiers und von Angestellten des Vatikans. In einem Eckpalazzo nicht weit vom Konsulat der Florentiner entfernt hatte sie das Kontor der Fugger gesehen. Jakob Fugger und seine Familie liehen nicht nur dem Kaiser Geld, die Fugger unterhielten auch direkte Geschäfte mit der Apostolischen Kammer, die vor allem auf dem Ablasshandel beruhten. Durch die Reformation war das Geschäft des deutschen Bankhauses in Rom stark eingebrochen, was die florentinischen Bankiers mit Genugtuung zur Kenntnis genommen hatten, wie Beatrices Onkel erzählte.
    Auch wenn sie im Haus Baldassares nur geduldet war, fühlte sie sich dort ihrer Familie nahe, und das gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Sie schloss die Augen und dachte an ihre Tochter. »Wo bist du, kleine Giulia?«, flüsterte sie in die Stille des Kirchenschiffs und legte die Stirn auf ihre gefalteten Hände. Woher sie die Gewissheit nahm, dass Giulia bald wieder in ihren Armen liegen würde, wusste sie nicht, aber es stand für sie felsenfest, dass sie ihr Kind wiedersah.
    Beatrice bekreuzigte sich und sah zu dem Fenster über dem Altar hinauf, durch dessen buntes Mosaik gebrochenes Licht in den Chorraum fiel. Und da begriff sie, woher ihre wiedergefundene innere Kraft rührte. Sie schloss die Augen und dachte an die Nacht im Gasthaus von Pieve Socana. Ihre Sehnsucht nach Tomeo schmerzte körperlich, und wenn sie nicht an Giulia dachte, dann fragte sie sich, wo er gerade war. Er war ihretwegen in das Casentino gereist, und er liebte sie. Das war mehr, als sie je zu träumen gewagt hätte. Nach dem Tod ihrer Eltern und dem, was sie an Federicos Seite hatte erdulden müssen, war etwas in ihr zerbrochen und hatte sie hölzern und leer werden lassen. Nur für Giulia hatte sie weitergelebt. Mit Tomeo

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