Die Tochter des Tuchhandlers
spielte, versorgten ihn auch mit Nachrichten. Wie lange konnten sich die kaiserlichen Truppen noch halten, wenn Karl V. bereits alle Einkünfte aus den spanischen Ritterorden als Pfandobjekte auf seine immensen Anleihen bei den Fuggern verpachtet hatte? Den Welsern hatte der Kaiser sogar ganz Venezuela verpachtet.
In den deutschen Landen und in Schweden hatte der Papst endgültig seine Macht verloren. In Schweden war die Konversion zu Luthers Lehre beschlossen, und alle Kirchengüter waren eingezogen worden, um damit den Aufbau einer Flotte zu finanzieren. In den deutschen Landen wurden immer mehr Fürstentümer evangelisch, zuletzt Hessen unter Landgraf Philipp, und auch das Herzogtum PreuÃen war unter der Regierung des letzten Hochmeisters des Deutschritterordens konvertiert. Franz I. hatte endlich einen Friedensvertrag mit Karl V. geschlossen, doch es wurde überall gemunkelt, dass Clemens sich nun endgültig gegen Karl entschieden hatte und ein Bündnis mit den Franzosen eingehen wollte. Wenn das so war, ging der Krieg weiter. Zudem sank die Popularität des Papstes in Rom spürbar, was an seinen drastischen SparmaÃnahmen lag. Die päpstlichen Finanzen waren genauso desaströs wie die des Kaisers, und Clemens hatte die Steuerschraube für Nahrungsmittel, Läden und Immigranten bis zur Schmerzgrenze angezogen.
Federico knallte seinen Becher auf den Tisch und winkte dem Wirt, einem versoffenen Halsabschneider, mit glasigen Augen. »Gib mir noch was von dem ekligen Zeug!«
Der Wirt, dessen rechtes Augenlid gelähmt war und deshalb schlaff herunterhing, kam mit einem neuen Krug an den Tisch. Seine Schürze war so schmutzig, dass die ursprüngliche Farbe nicht zu erkennen war. »Erst das Geld.«
Federico warf einen Giulio auf den Tisch. »Hier, du Aasgeier. Dafür bekomme ich den ganzen Abend Wein!«
Mit gierigen Augen griff der Wirt nach dem Geldstück und setzte ein schmieriges Lächeln auf. »Zu Euren Diensten, Signore.«
Heute Morgen hatte er von einem römischen Tuchhändler, der Handel mit den Niederlanden, Belgien und England trieb, erfahren, dass Alessandro in einem Gefängnis in Antwerpen gestorben war. Der Händler hatte Schulden eintreiben lassen und dabei vom Schicksal des Luccheser Tuchhändlers gehört. Da ihn niemand ausgelöst hatte, war Alessandro von den Mitgefangenen missbraucht worden und schlieÃlich am Fieber verendet. »Es war seine Schuld!«, rief Federico in die Taverne, doch niemand nahm Notiz von ihm.
An einem Tisch saÃen zwei Betrunkene, die ihren Rausch ausschliefen, woanders wurde gespielt, und in einer dunklen Ecke wurde ein grobschlächtiger Fleischer von einer Hure bedient. Marcina hatte einen reichen Liebhaber gefunden, zu dem sie einmal in der Woche ging. Der Mann war Juwelier mit einem Laden in der Via di Panico und schenkte ihr neben groÃzügigen Geldsummen ausgefallene Schmuckstücke. Von dem Geld bezahlte sie die Unterbringung ihres Sohnes in einem Augustinerkonvent und die Miete für zwei feuchte Zimmer im ersten Stock einer Bäckerei. Nachdem Marcina sich geweigert hatte, Giulia aufzunehmen, hatte er seine Tochter bei einer Pflegefamilie im Bezirk Ponte untergebracht. Wenn er nicht bald das Geld von Flamini bekam, würde er in Schwierigkeiten kommen, denn er hatte bereits Spielschulden bei mehreren römischen Adligen. Ohne Alessandro deâ Medicis Brief wäre er am Ende. Er beglückwünschte sich noch jetzt dazu, da Sesto den Brief abgenommen zu haben. Rodolfo hatte ihn während des Angriffs bei sich getragen. Als Federico die Aussichtslosigkeit ihrer Lage erfasst hatte und Rodolfo von einer Kugel zu Boden geworfen worden war, hatte er dem hilflosen Verwundeten den Brief entrissen. Kein Freundschaftsdienst, aber wen interessierte die Moral?
»Verflucht!«, murmelte er und trank den sauren Wein, den er normalerweise höchstens als Essig verwendet hätte. Warum hatte die Verschwörung auch auffliegen müssen? Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass seine neunmalkluge Frau daran zumindest eine Mitschuld trug. Er rieb die juckende Narbe an seiner Schläfe. Beatrices einzige Hoffnung war die Marchesa gewesen, von deren Beteiligung sie nichts gewusst hatte. Irgendwie musste Gadino von alldem Wind bekommen haben. Gadino, der schöne Marchese, der mit ihm genauso gespielt hatte wie mit allen anderen. Wenn er ihn jetzt hier
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