Die Tochter des Tuchhandlers
war die Wärme in ihr Herz zurückgekehrt, und allein dafür liebte sie ihn.
Mit einem Lächeln auf den Lippen verlieà sie die Kirche, ging die Stufen hinunter und schaute über die Kreuzung in Richtung der Piazza Navona. Rom war überwältigend groà und voller Leben. In dem Gewirr aus Gassen, Corsi, Plätzen, den antiken Bauten am Forum Romanum, dem Aventin und schlieÃlich dem Tiberdistrikt mit seinen Häfen und Brücken, von denen einige hinauf zum Vatikan führten, konnte man sich heillos verlaufen. Die Vielfalt war beängstigend, und suchend glitt Beatrices Blick durch die StraÃe. Sie hatte bereits am Tag ihrer Ankunft einen Brief an den giudice Niccolò Boncompagni gesandt und sollte sich heute Mittag mit ihm treffen. Der Diener würde sie und Alba zum Haus des giudice bringen.
Sie wollte gerade die StraÃe überqueren, als ihr eine Kutsche mit goldenem Wappen entgegenkam, der sie gerade noch ausweichen konnte, nicht jedoch dem Schlamm, der aufgeschleudert wurde und ihr Kleid befleckte. »O nein!«, schimpfte sie. Ihr Umhang und dieses rote Kleid waren die einzigen repräsentablen Stücke, die sie noch besaÃ. Was würde der giudice von ihr denken, wenn sie völlig verdreckt dort ankam? Sie sah sich um und entdeckte in einer SeitenstraÃe eine Pferdetränke, mit deren Wasser sie notdürftig den Schaden beheben konnte.
Ganz in ihr Bemühen versunken, den stinkenden Dreck aus dem Kleid zu reiben, achtete sie nicht auf die Leute um sie herum und bemerkte zu spät, dass jemand hinter ihr stand, sie packte und hinter eine Hausecke zerrte. Bevor sie schreien konnte, lag eine Hand auf ihrem Mund, und sie wurde weiter in das dunkle Zwielicht enger Häuserfluchten gezerrt, in denen sie rasch die Orientierung verlor. Als sich ihre Augen an die Umgebung gewöhnt hatten und der Angreifer sie einen Moment loslieÃ, um sie einige Stufen hinunterzustoÃen, traute sie ihren Augen nicht. »Federico!«
Sie stolperte, versuchte sich irgendwo festzuhalten, fand jedoch keinen Halt und fiel gegen eine Mauer, in der ein eiserner Haken stecken musste, denn etwas bohrte sich schmerzhaft in ihren Rücken. Ein Schrei erstarb in ihrer Kehle, und sie blieb wie hypnotisiert stehen, um ihren Mann nicht aus den Augen zu lassen, der langsam die zerbrochenen Stufen herunterstieg. Wo befanden sie sich? Es war niemand zu sehen, nur das Quieken von Ratten erklang hinter ihr in dem Gemäuer, aus dem ein ekelerregender Modergestank strömte. Der Boden unter ihren FüÃen war feucht und voller Unrat. Eine Kloake hätte nicht schlimmer riechen können. Das Tageslicht drang kaum in diesen heruntergekommenen Teil der Stadt, in dem Federico sich nur zu gut auszukennen schien.
Er war kaum wiederzuerkennen mit den schmutzigen langen Haaren, dem Spitzbart und den rot unterlaufenen, wässrigen Augen, in denen der blanke Hass loderte. »Das Schicksal hat es wirklich gut mit mir gemeint!«
Sein heiseres Lachen lieà Beatrices Blut in den Adern gerinnen. Zitternd rutschte sie zur Seite. Angstschweià bildete sich auf ihrer Oberlippe, und sie atmete schwer.
»Ihr habt Angst vor mir?« Mit einem Schritt war er bei ihr und schlug ihr ins Gesicht.
O ja, das konnte er gut. Der letzte Schlag war ihr noch deutlich in Erinnerung. Doch dieser würde erst der Anfang sein von ⦠Sie leckte sich die blutende Lippe. »Ich habe Geld, Federico. Ich gebe Euch alles, was ich besitze, wenn Ihr mir Giulia bringt.«
Der nächste Schlag traf ihr Kinn und lieà ihren Kopf so hart gegen die Wand prallen, dass ihr schwindelig wurde und sie sich keuchend an die Mauer lehnte. Ihre Haare hatten sich aus der aufgesteckten Frisur gelöst und hingen wirr vor ihren Augen, so dass sie ihn nicht kommen sah und dem Tritt nur halb ausweichen konnte. Ihre Hüfte brannte vor Schmerz, doch sie weinte nicht.
Sie musste sprechen, sonst würde er sie hier in diesem elendigen Loch zu Tode prügeln. »Federico, so hört doch! Bitte, ich flehe Euch an! Wir werden uns nie wiedersehen! Alles, was ich will, ist meine Tochter! Tausend Scudi! So viel kann ich für Euch auftreiben!«
Der Schatten seiner aufragenden Faust lieà sie die Hände vor den Kopf legen, doch der Schlag erfolgte nicht. »Tausend Scudi? Ihr lügt! Ihr habt Angst um Euer Leben und lügt!«
»Nein, das ist die Wahrheit. Ich schwöre es beim Grab meiner Eltern. Ich bin hier bei
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