Die Tochter des Tuchhandlers
einem entfernten Onkel untergekommen, der mir hilft, und ich kenne andere Leute, die mir auch Geld geben werden. Tausend Scudi! Ãberlegt doch, Ihr braucht das Geld, denn nach Lucca könnt Ihr nicht zurück.«
»Nein«, fuhr er sie an. »Und das habe ich Euch zu verdanken! Wie seid Ihr überhaupt bis nach Rom gelangt?«
»Zuerst mit einer Komödiantentruppe, dann mit Pilgern.«
»Das habt Ihr auf Euch genommen, nur um Eure Tochter zu finden?«
»Nur?« In diesem einen Wort lag ihre ganz Verachtung für ihn.
»Bis wann könnt Ihr das Geld beschaffen?«
Um sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen, nestelte sie an ihrem Kleid, tastete nach ihrer Lippe, die zu bluten aufgehört hatte, und antwortete: »Fünf Tage müsst Ihr mir mindestens geben. Wo ist Giulia? Geht es ihr gut?«
Er strich sich über den Spitzbart und fixierte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Sie ist bei einer Siebmacherfamilie und, soweit ich weiÃ, bei Gesundheit. Fünf Tage? Dann treffen wir uns am kommenden Freitag an der Pferdetränke bei Santa Maria dellâAnima.« Mit einem Satz war er die Treppe hinauf.
»Fünf Tage«, sagte Beatrice zu sich, stieà mit dem Fuà nach einer Ratte, die aus einem Loch in der Hausmauer kriechen wollte, und stieg vorsichtig die Stufen hinauf, wobei jeder Schritt schmerzte. Ihr Kinn schwoll langsam an. Oben sah sie sich um. Sie befand sich in einer Art Hinterhof und musste nur einen Weg auf die StraÃe finden. Federico war verschwunden. Während sie suchend durch die schmalen Gassen ging, hatte sie ständig das Gefühl, verfolgt zu werden, und meinte einen Schatten in einem Hauseingang zu sehen, als sie sich umdrehte. Ihr Herz schlug schneller. So schnell sie konnte, stolperte sie über den unebenen Untergrund und fand schlieÃlich eine Frau beim Wäscheaufhängen, die sie überrascht ansah und ihr den Weg zur StraÃe wies.
Alba und Sebastiano waren in heller Aufregung bereits mehrmals um die Kirche herumgelaufen und hatten Passanten nach ihr gefragt. Beatrice erklärte, was ihr zugestoÃen war. »Und jetzt gehen wir sofort zu giudice Niccolò Boncompagni!« Ihr Aufzug würde die Dringlichkeit ihres Anliegens nur unterstreichen.
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Es war kurz nach Mitternacht. Die Ruinen des Forum Romanum lagen vor Federico in der Dunkelheit. Am Fuà der Hügel von Kapitol und Palatin erstreckten sich die Reste der antiken Republik in Form von Mauerresten der Basilica Julia, umgestürzten Säulen, Bögen und Grundrissen, die ahnen lieÃen, wo einst die Tempel standen. Heute war alles von Unkraut überwuchert, und Bäume hatten ihre Wurzeln in die Fundamente einst heiliger Stätten geschlagen. Hier und dort blitzte eine Fackel auf, nachtaktives Getier und zwielichtiges Gesindel, aber auch reiche Patrizier, die hier ihre wollüstigen Phantasien befriedigten, trieben sich in der Ebene herum, die einst Volkstribunen, Senatoren und römische Bürger mit Leben erfüllt hatten. Federico fluchte, weil er bereits zum dritten Mal über einen Stein oder ein Säulenfragment gestolpert war, und hob seine Fackel, um zu prüfen, ob er auf dem richtigen Weg war. Der kleine Mistkerl hatte ihm gesagt, dass Flaminis Mittelsmann auf dem heutigen Treffen bestand, und da Federico das Geld dringend brauchte, hatte er nun doch zugestimmt. Marcina war schon wieder zu ihrem feisten Geliebten gerufen worden. Ein Umstand, der Federico bitter aufstieà und mit dem es ein Ende haben würde, sobald er genügend Geld hatte. Er wusste, dass seine Schwäche für Marcinas Liebeskünste ihm mehr schadete als nutzte, aber er war dieser Frau verfallen. Allein der Gedanke an die vergangene Nacht machte ihn vor Lust schaudern.
Hinter ihm erklang Musik. Federico drehte sich um und sah einen Fackelzug auf sich zukommen. Ein Mohr in blaugoldenem Gewand mit federgeschmücktem Turban und einem glitzernden Krummsäbel am Gürtel trug eine Laterne vorweg. Ihm folgte ein schillernder kleiner Zug aus Musikanten, zwei bewaffneten Reitern und einer prächtigen Sänfte. Automatisch gab Federico den Weg frei und erhaschte durch die Vorhänge den Blick auf einen dicklichen jungen Mann mit gelangweilten Gesichtszügen und einem spärlichen Bart. Das Wappen auf der Sänfte zeigte sechs blaue Lilien auf goldenem Grund und verriet, dass in der Sänfte einer der Farnese-Sprösslinge saÃ. Der
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