Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
wollte, und jetzt stecke ich bis zum Hals in einer Verschwörung. Und Politik ist das Letzte, womit ich mich befassen wollte!« Er rieb sich Stirn und Augen. »Ich stecke in der Klemme, weil ich weder meine Freunde verraten noch mein Leben lassen will.«
    Beatrice hatte den Eindruck, dass Mari und auch ihr Vater etwas zurückhielten, und fragte sich, wie weit ihre Freundschaft gehen konnte.
    Margareta sagte diplomatisch: »Einem Papst zu dienen, dessen Meinung sich nahezu stündlich ändert, ist nicht gerade leicht, und ich beneide Euch nicht um Euren Auftrag. Erzählt uns doch lieber von Rom, dem Fortschritt an den Umbauarbeiten des Domes und den Künstlern, die gerade dort sind. Lucca ist in dieser Hinsicht recht provinziell.« Sie lächelte aufmunternd, und Alberto Mari ging dankbar auf den Themenwechsel ein.
    Er sprach gerade über die neuesten Verse Pietro Bembos, den er für einen unzulänglichen Poeten hielt, als der Turmwächter zur vierten Stunde blies. Beatrice seufzte. Die Stunden in Gesellschaft ihrer Eltern und des alten Freundes hatten sie vergessen lassen, dass ihr Leben sich nicht mehr in diesem Haus abspielte. Nur ungern erhob sie sich.
    Â»Es war mir eine Freude, Euch wiederzusehen, Beatrice. Grüßt Euren Gemahl, dem ich einmal in Florenz begegnet bin.« Alberto verneigte sich höflich vor Beatrice.
    Â»Wirklich? Dann vergesst nicht, uns zu besuchen, wenn Ihr das nächste Mal in Lucca seid.« Lächelnd wandte Beatrice sich an ihre Eltern, die sie umarmten und mit herzlichen Küssen entließen.
    Ines stand im Hof und plauderte mit Fabio. Die Nachmittagssonne warf ihre Strahlen auf die vertrauten Gebäude. Beatrice strich ihre Ärmel glatt, vergrub die Hände in ihrem Schultertuch und ließ den Blick über die Fenster gleiten, hinter denen das Kontor ihres Vaters lag.
    Â»Lasst uns gehen, Madonna. Dann kommt Ihr rechtzeitig zum Abendessen«, sagte Ines, und der alte Benedetto öffnete ihnen das Tor.
    Als sie sich der Piazza San Salvatore näherten, hörten sie lautes Geschrei und Gejohle. Sie bogen um die Ecke der Kapelle und stießen fast mit einer wimmernden Frau zusammen, um deren Hals man einen eisernen Ring mit einer Kette geschlossen hatte. Ein beißender Geruch von Unrat und Exkrementen ging von ihr aus. Ihre Haare waren verfilzt, und aus dem dünnen, zerrissenen Hemd sahen Gliedmaßen hervor, die mit Blutergüssen und Wunden übersät waren. Bevor der Stadtsoldat sie an der Kette zurückreißen konnte, warf sich die Frau vor Beatrice auf den Boden und umklammerte ihre Füße.
    Â»Madonna, Ihr seid eine Frau! O Gott, habt doch Mitleid! Ich habe fünf Kinder zu Hause! Wer kümmert sich um meine Kinder … Um Gottes willen!«, schrie sie voller Verzweiflung.
    Als der Soldat sie zurückriss, schnitt der Ring tief in ihr wundes Fleisch. »Sei still, Verlorene. Dir wird niemand mehr helfen. Der Scharfrichter wetzt schon das Beil.«
    Erst jetzt entdeckte Beatrice das Podest mit dem Scharfrichterblock, vor dem sich mehr und mehr Volk versammelte, um der Hinrichtung beizuwohnen. Wie konnten sie nur ihr Vergnügen an solcher Grausamkeit finden? Frauen, Kinder und Männer standen da, aßen, tranken und ergötzten sich am Leid der Verurteilten. Der Stadtsoldat übergab die Frau einem der Henkersknechte.
    Â»Soldat«, sprach Beatrice ihn daraufhin an.
    Â»Madonna?« Ehrerbietig neigte der Soldat den Kopf.
    Â»Was hat die Frau getan?«
    Â»Sie hat schon zwei Neugeborene getötet. Jetzt hat man das dritte hinter ihrem Haus gefunden. Sie hat es zerstückelt und vergraben.«
    Ines gab ein würgendes Geräusch von sich.
    Â»Hat denn niemand für sie gesprochen?« Beatrice dachte an die fünf Kinder.
    Â»Sie arbeitet als Spinnerin, hat keinen Ehemann, führt ein leichtfertiges Leben. Zweimal haben ihre Brüder Bußen für sie gezahlt, doch jetzt kennt der Richter keine Gnade mehr. Für ihre Sünden wird sie in der Hölle braten!« Der Soldat sagte das aus tiefster Überzeugung. Ledige Frauen, die das geistliche Leben ablehnten, waren entweder eine Last für die Familie oder, wenn sie sich selbst als Magd oder Spinnerin durchbrachten, Freiwild für jeden Mann.
    Durch die Menge ging ein Raunen, als der Kopf der Verurteilten auf den Holzblock gelegt wurde. Ein Knecht strich der Frau die Haare aus dem Nacken, dessen helles Fleisch sich gegen das

Weitere Kostenlose Bücher