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Die Tochter des Tuchhandlers

Titel: Die Tochter des Tuchhandlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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schreibt, er kommt ganz nach Hartmann. Du würdest ihn kaum wiedererkennen. Aus dem Jungen ist ein kräftiger Bursche geworden. Dein Vater und ich werden noch in diesem Frühjahr reisen, Beatrice.«
    Â»O nein!«, entfuhr es ihr.
    Â»Wir wollten es dir erst nach der Hochzeit sagen, aber nun ist es heraus. Geplant ist es schon lange. Die Zeit drängt, wir sind auch nicht mehr die Jüngsten.«
    Â»Sag so etwas nicht, Mutter.« Beatrice fiel ihrer Mutter um den Hals und drückte sie fest an sich. »Ich wünschte mir, ich könnte mit euch kommen und die Heimat sehen …«
    Â»Deine Heimat ist jetzt hier in Italien, bei deinem Mann. Aber irgendwann einmal kannst du ihn sicher auf einer Reise in den Norden begleiten.« Monna Margareta nahm das Kleid vom Stuhl und reichte es ihrer Tochter. »In einer Stunde müssen wir an der Kirche sein. Ich bin froh, dass eure Trauung in San Michele stattfindet. Der Mord wirbelt viel zu viel Staub auf und gibt den Papstanhängern, diesen verfluchten Guelfen, nur weiteren Auftrieb.«
    Â»Was interessiert mich ein toter Pfaffe …«
    Â»Nicht irgendeiner, Beatrice«, tadelte ihre Mutter. »Der Tote war Gast des Bischofs und ein päpstlicher Legat.«
    Â»Und was macht das für einen Unterschied?«
    Â»Bitte, Beatrice, stell dich nicht dumm! Der Mord an einem hohen kirchlichen Würdenträger bedeutet Ärger, Untersuchungen und Aufruhr. Im Großen Rat von Lucca sitzen genug Anhänger des Papstes, die nur darauf warten, der Gegenpartei, der wir angehören, etwas anzuhängen. Und das versuchen sie zuerst bei Ausländern.« Mit sorgenvoller Miene fasste Margareta ihre Tochter an den Schultern. »Gerade jetzt ist es gut, dass du einen Luccheser heiratest.«
    Die Republik Lucca wurde von den anziani , dem Ältestenrat, und dessen Vorsitzendem, dem gonfaloniere , regiert. Die Mitglieder des Rates waren ausnahmslos reiche Luccheser Kaufleute und Adlige, die fast alle Ghibellinen waren. Doch der Bischof von Lucca, ein Adliger aus dem Hause Sforza de Riario, hatte seit seinem Amtsantritt großen Einfluss in der Stadt gewonnen, und die Gerüchte, dass Mitglieder des Rates mit den Guelfen, der Papstpartei, sympathisierten, wurden lauter.
    Â»Und mach nicht so ein Gesicht. Du gehst schließlich nicht aufs Schafott …«, sagte ihre Mutter.
    Widerwillig griff Beatrice nach dem Kleid und ließ sich schweigend in das kostbare Gewand kleiden, dessen blutrote, golddurchwirkte Damast- und Seidenstoffe ihre helle Haut noch durchscheinender wirken ließen.
    Â 
    Als Beatrice am Arm von Federico Buornardi San Michele in Foro verließ, wurden sie von einer lärmenden Menge empfangen. Der Jubel überwog, doch Beatrice nahm auch die Schmährufe wahr, in denen sie als Lutheranerhure beschimpft wurde. Der weiße Marmor von San Michele strahlte an diesem kalten Januarmorgen in seiner ganzen erhabenen Pracht, und über ihnen breitete der Erzengel Michael kämpferisch seine Schwingen aus. San Michele war das Gotteshaus der Bürger, der Dom San Martino dagegen Bischofssitz. An der unpopulären Stadtrandlage San Martinos hatte die Erhöhung Luccas zum Bischofssitz nichts ändern können, und auch die Tatsache, dass ein Großteil der wohlhabenden Luccheser San Michele den Vorzug gab, fand nicht das Wohlwollen der Geistlichkeit. Und zu allem Übel war nun ein päpstlicher Legat im Dom ermordet worden. Diese Tat würde weite Kreise ziehen.
    Beatrice registrierte die lauten Beifallsbekundungen der Wartenden, gemischt mit zotigen Bemerkungen und derben Späßen, wie durch einen Nebel. Seit sie das Hochzeitsgewand angelegt hatte, war sie einer Marionette gleich den Anweisungen ihrer Eltern gefolgt. Vor dem Priester hatte sie mit brüchiger Stimme ein kaum hörbares »Ja« herausgebracht, mit dem sie ihr Schicksal besiegelte. Ein junger Geck tanzte vor ihnen her und sang ein zweideutiges Lied, das Beatrice die Röte in die Wangen trieb. Ihre spitzen Schuhe mit dünner Ledersohle rutschten auf den mit einer leichten Schneeschicht überzogenen Platten der Piazza, und sie wäre gestürzt, hätte Federico sie nicht mit kräftigem Griff davor bewahrt.
    Â»Geht es Euch gut?«
    Â»Danke.« Sie vermied es, ihn anzusehen, und bemühte sich um eine würdevolle Haltung, wobei sie das Klappern ihrer Zähne kaum unterdrücken konnte. Ihr Kleid hatte gemäß der

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