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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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bedeutete dieses fast unmerkliche Vorrecken des Kinns die Vorstufe zu einer Kampfansage. Bei mir manifestierte sich dieser Zustand eher im Tonfall. »Wenn also dieses berechtigte Interesse besteht, dann habe ich damit das Recht, alles über einen anderen zu erfahren, meinst du das? Hast du dir mal ausgemalt, wie es wäre, wenn jemand alles über dich in Erfahrung brächte? Ich finde die Vorstellung absolut gruselig. Und dass solche Profile missbraucht werden, kannst du nie hundertprozentig ausschließen.«
    »Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, Finja, nirgends. Es hat sie nie gegeben, und es wird sie nie geben.« Amelies Stimme wurde leise. »Und auch Grauzonen wird es immer geben. Genauso wie deinen realitätsblinden Idealismus.«
    Wir waren am Ufer angekommen, ließen uns beide aus dem Boot gleiten und zogen es an Land. Die Blicke, mit denen wir uns maßen, hätten jeden Außenstehenden dazu veranlasst, einen großen Bogen um uns zu machen.
    »Was bitte meinst du mit realitätsblindem Idealismus?« Ich hatte meine Flip-Flops aus dem Boot geholt und sie über die Füße gezogen.
    »Etwas, das du dir in deinem Beruf durchaus leisten kannst, das in meinem jedoch ein K.-o.-Kriterium ist.«
    Während Amelie barfuß aufs Haus zumarschierte, stand ich völlig perplex am Ufer. Bis ich mich endlich in Bewegung setzte und ihr wütend hinterherlief. In meinem Kopf braute sich ein Gewitter von Worten zusammen, das sich entladen musste. Allerdings kam es nicht dazu. Meine Mutter kam mir durch die Terrassentür entgegen.
    Wie immer war alles an ihr perfekt, angefangen bei den dunkelblonden kinnlangen Haaren, die so aussahen, als käme sie gerade vom Friseur, bis hin zu dem dezenten Make-up, das ihre blauen Augen ebenso unterstrich wie ihren fein gezeichneten Mund, um den herum sich bislang nur wenige Falten gebildet hatten. Sie trug ein ärmelloses graues Seidenkleid und eine hauchdünne schwarze Stola darüber, dazu schwarze hochhackige Sandalen. Ihre Fußnägel waren in einem Cremeton lackiert.
    »Guten Morgen, Finja«, begrüßte sie mich, während ihr Blick fahrig über mich hinwegglitt. »Weißt du, was mit Amelie los ist? Sie ist eben mit einem Gesicht an mir vorbeigestürmt, als ginge die Welt unter. Hat sie dir etwas gesagt? Ist es wegen des Unfalls?« Ohne meine Antwort abzuwarten, setzte sie sich an den Frühstückstisch. »Mit so etwas hat wirklich niemand rechnen können«, sagte sie wie zu sich selbst, nahm die Serviette von ihrem Teller und breitete sie auf dem Schoß aus. »Komm, setz dich doch einen Moment zu mir. Oder hast du schon gefrühstückt?«
    Ich setzte mich ihr gegenüber, nahm ein Croissant und bestrich es halbherzig mit Butter und Marmelade. Mein Appetit hielt sich in Grenzen. »Ich habe schon mit Paps heute Morgen einen Kaffee getrunken.«
    Meine Mutter goss sich grünen Tee ein und füllte Melonenstücke aus einer großen in eine kleine Schale. Viel mehr würde sie nicht zu sich nehmen. Sie hielt so streng Diät, dass sie mit ihren dreiundsechzig Jahren immer noch in Größe sechsunddreißig passte. »Ich hoffe, Amelie steckt das alles gut weg. Nicht auszudenken, was …« Sie ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen. »Zum Glück haben Cornelia und Hubert nicht leiden müssen.«
    »Der Tod der beiden hat Carl völlig den Boden unter den Füßen weggezogen«, sagte ich leise.
    Ihr Blick verhärtete sich in einer Geschwindigkeit, als sei ein Schalter umgelegt worden. »Machen wir uns nichts vor, Finja. Ein Mann erholt sich viel schneller von so etwas als eine Frau.«
    »Nicht Carl, er …«
    »Du wirst sehen«, fiel sie mir ins Wort, »in einem halben Jahr bringt ihm eine andere seine heiße Milch mit Honig ans Bett.« Meine Mutter redete wie eine Frau, die ihren Mann in regelmäßigen Abständen mit einer Geliebten teilen musste.
    War das so? Betrog mein Vater sie? Ich verbrachte viel zu wenig Zeit mit meinen Eltern, um mir ein Urteil darüber erlauben zu können. »Carl hat mir erzählt, wie viel es ihm bedeutete, wenn Cornelia in seinem Zimmer saß und strickte, während er arbeitete.«
    »Diese Strick-Manie«, meinte sie mit einem Kopfschütteln und zog ihre Stola enger um die Schultern, als friere sie. »Was das angeht, bin ich aus Cornelia nie ganz schlau geworden. Als ich sie kennenlernte, wirkte diese Strickerei wie eine wirkliche Leidenschaft. Aber mit den Jahren bekam sie etwas Exzentrisches, irgendwie Bemühtes. Als wolle sie sich damit Carls ewiger Treue versichern. Es war

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