Die Todesbotschaft
stehen, sind gewappnet. Sie werden sich nicht ablenken lassen wie ihre Kollegen. Dafür garantiere ich.« Mein Vater sprach, als habe er es mit einem verunsicherten Kunden zu tun. Es gab keinen hundertprozentigen Schutz, das hatte er oft genug betont, wenn über so etwas in den Medien diskutiert wurde.
»Werdet ihr erpresst?«, fragte ich zum wiederholten Mal.
»Finja, ich habe dir gesagt, ich kümmere mich darum. Mehr musst du nicht wissen.«
Die Hauswand gab die Wärme ab, die sie den Tag über gespeichert hatte. Ich presste mich dagegen, da mir kalt war. »Gibt es Briefe, die Adrians oder meinen Tod ankündigen?«
»Nein. Darauf gebe ich dir mein heiliges Ehrenwort.«
»Du hast mir mal gesagt, dir sei nichts heilig. Mit dem Begriff könntest du nichts anfangen.«
»Aber mein Ehrenwort gilt.«
Noch immer klopfte mein Herz bis zum Hals. »Mein Gott, Paps, was sind das für Leute, die vier Menschen umbringen? In was seid ihr da hineingeraten?« Als er nicht antwortete, sagte ich: »Mir macht all das fürchterliche Angst, verstehst du?«
»Das verstehe ich. Und ich bin froh, dass du in Berlin bist. Bleib dort, hörst du? Und nimm den Alarmsender an dich.«
Ich würde das kleine, viereckige schwarze Gerät hüten wie andere ihr lebenswichtiges Insulin. Es lag griffbereit unter meinem Kopfkissen, als ich an diesem Abend schlafen ging, und es landete in der Tasche meiner Jeans, als ich am nächsten Tag auf der Bergmannstraße einkaufen ging. Darüber hinaus vergewisserte ich mich, dass die beiden Männer in meiner Nähe waren. Wann immer ich ein Geschäft verließ, setzte ich meinen Weg erst fort, nachdem ich Blickkontakt mit ihnen aufgenommen hatte. Gedanken daran, wie leicht es war, mir unter ihren Augen im Gedränge ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen oder mich vor ein Auto zu schubsen, verdrängte ich. Sie zuzulassen, hätte es mir unmöglich gemacht, meine Wohnung zu verlassen. Und letztendlich wäre auch das keine Lösung gewesen, wie Amelies Tod bewies.
Nach dem Einkaufen igelte ich mich in meiner Wohnung ein, versuchte, etwas zu essen, brachte nichts herunter, überlegte, Richard anzurufen, nur um den Gedanken gleich wieder zu verwerfen. Ich war heilfroh, als Eva-Maria am Abend auf einen Sprung bei mir vorbeikam. Mit einer prall gefüllten Tüte voller Schokoladentafeln stand sie vor der Tür und drückte sie mir mit den Worten in die Hand, das sei Nervennahrung.
Nachdem ich ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte, schenkte ich ihr einen bewundernden Blick. Sie trug eine enganliegende, kurzärmelige Seidenbluse in Dunkelgrün mit Stehkragen und stoffbezogenen Knöpfen über einer schwarzen, schmal geschnittenen Jeans und passenden Ballerinas. Ihre roten Locken wirkten wie das Tüpfelchen auf dem i.
Wir setzten uns in die Küche an den Holztisch, in dessen Platte Kacheln mit wasserblauen Motiven eingelassen waren. Eva-Maria liebte diesen Tisch, den ich bei einem Antiquitätenhändler am Prenzlauer Berg erstanden hatte. Wann immer wir um ihn herumsaßen, strich sie mit den Fingern darüber.
Ich füllte ihr Apfelsaftschorle in ein Glas und mir Weißwein und öffnete eine Tafel Vollmilchschokolade mit ganzen Haselnüssen. Während ich mir einen Riegel abbrach, erzählte ich ihr von meinen Bewachern.
Meine Freundin sah mich an, als säßen dort unten im Auto Schwerverbrecher. »Schießen die etwa Fotos von allen deinen Besuchern?«, fragte sie.
Ich musste lachen. »Eva, sei mir nicht böse, aber in dieser Hinsicht hast du eine echte Macke. Was wäre Schlimmes daran, wenn sie ein Foto von dir machten?« Ich schob ihr die Tafel hin.
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich damit erst anfange, kann ich nicht wieder aufhören. Ich bin dick genug. Schau nur.« Sie zeigte auf die Knopfleiste ihrer Bluse, die im Sitzen um die Taille herum einen Hauch spannte. »Um aber deine Frage zu beantworten: Man nie weiß, was mit solchen Fotos geschieht. Werden sie einfach gelöscht, oder landen sie in irgendeiner Datenbank?« Als sie meinen Gesichtsausdruck sah, lenkte sie ein. »Okay, Schluss damit. Erklär mir, warum diese Leute dich überhaupt bewachen. Hat dein Vater Sorge, auch dir könnte etwas zustoßen?« Allein die Vorstellung schien ihr einen Schreck zu versetzen.
Und nicht nur ihr. Ich zündete eine Zigarette an und blies den Rauch durch das geöffnete Fenster. »Er bezeichnet das als reines Kettenrasseln und hat geschworen, dass es keine weiteren Todesbotschaften gegeben hat.«
»Als du mir von
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