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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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müssen.«
    »Kannst du dir vorstellen, wie das ist, mit diesem Anblick zu leben?«, fragte Adrian mit brüchiger Stimme. »Als ich in unser Schlafzimmer kam und sie da liegen sah …«
    Ich wich zurück und wandte ihm den Rücken zu. »Sei still, ich will das nicht wissen!«
    »Amelie hat so viel Blut verloren«, sprach er weiter, als habe er mich nicht gehört. »Ihr Hals war …«
    Ich schoss herum und hielt ihm den Mund zu. »Wenn du es mir beschreibst, werde ich dieses Bild nie wieder los. Es wird sich für immer einbrennen, verstehst du?«
    Er zog meine Hand von seinem Mund. »Es verfolgt mich Tag und Nacht, Finja«, flüsterte er. »Und unser Baby …«
    »Nein! Hör auf!« Ich holte ein gerahmtes Porträtfoto von Amelie und setzte mich so neben ihn, dass wir es beide ansehen konnten. »Schau dir das Foto an, Adrian. So sah Amelie aus.«
    Stumm lehnten wir uns aneinander und betrachteten meine Schwester, die selbstbewusst in die Kamera schaute.
    »Manchmal habe ich sie mir weniger ehrgeizig gewünscht«, sagte er nach einer Weile. »Sie hatte vor, ein paar Wochen nach der Geburt unseres Kindes wieder zu arbeiten. Ich habe ihr immer wieder vorgerechnet, dass unser Geld auch so reichen würde, aber es ging ihr nicht ums Geld. Und auch nicht um Bestätigung.«
    »Sondern darum, ein wenig an den Stellschrauben der Macht herumzudrehen? So hat Kerstin es jedenfalls ausgedrückt.«
    »Mir war diese Art von Ehrgeiz immer fremd. Wenn wir uns stritten, hat Amelie mir vorgeworfen, ich hätte meiner Mutter zu viel beim Stricken zugesehen und ihre Hausmütterchenzufriedenheit übernommen. Dabei habe ich meine Mutter nie so empfunden. Sie hat sich zwar zu Hause um alles gekümmert, aber sie wusste sehr genau, was draußen vor sich ging.« Er stöhnte. »Diese blöden Streitereien waren eine einzige Zeitverschwendung. Hätte ich gewusst, dass uns nur so wenig Zeit bleibt …«
    Ich legte meinen Finger auf seine Lippen. »Mach dir keine Vorwürfe. Amelie wird das schon richtig eingeschätzt haben.« Ich küsste ihn auf die Wange.
    Mit einer unerwarteten Bewegung drehte er den Kopf und küsste mich auf den Mund. Im ersten Augenblick erstarrte ich, doch dann spürte ich, wie gut sich das anfühlte. Ich legte ihm die Arme um den Nacken und erwiderte seinen Kuss.
    »Kann ich bei dir übernachten? Oder herrscht in deinem Schlafzimmer auch kreatives Chaos?«
    »Nur auf dem Meeresboden. Aber wenn du die Augen schließt, vergisst du ihn.«
     
    Als wir am Morgen aufwachten, sahen wir uns an wie ein Geschwisterpaar, das Hand in Hand ein gefährliches Abenteuer überstanden hatte und dankbar war, unterwegs nicht allein gewesen zu sein. Keiner von uns beiden suchte nach Worten, um diese Nacht zu rechtfertigen. Sie besaß ihre eigene Logik.
    Ich öffnete das Schlafzimmerfenster, um die Sonne hereinzulassen, und deponierte das Frühstückstablett auf der Bettritze. Adrian saß mir im Schneidersitz gegenüber und ließ seinen Blick über die Wandmalerei gleiten.
    »Das meintest du also mit Meeresboden«, sagte er nach einer Weile.
    »Gefällt dir das Bild? Ein ehemaliger Kommilitone hat es gemalt.«
    »Es hat etwas. Obwohl ich es nicht gerne jeden Morgen als Erstes sehen möchte.« Er betrachtete mich stumm über seinen Kaffeebecher hinweg. »Ich wollte immer nur Amelie.«
    »Ich weiß«, sagte ich leise.
    Er setzte den Kaffeebecher ab und begann zu reden. Dabei lebten so viele Erinnerungen wieder auf, dass wir bald nicht mehr zu zweit in meinem Schlafzimmer waren, sondern inmitten der vier Menschen, die wir in den vergangenen Wochen verloren hatten. Für jeden von uns gab es den Moment, in dem wir am liebsten die Zeit angehalten hätten, um der Traurigkeit zu entkommen. Aber sie holte uns ein.
    Adrian stand gerade unter der Dusche, als mein Handy klingelte. Richards Stimme ließ mein Herz schneller schlagen. Ich wollte ihm gerade zuvorkommen und sagen, dass ich mich ein wenig verspäten würde, als er mir für den Rest der Woche absagte. Eine dringende Recherche sei ihm dazwischengekommen. Er versprach, sich zu melden, sobald er zurück sei. Ein wenig enttäuscht fragte ich ihn, ob ich nicht auch während seiner Abwesenheit weiterarbeiten könne, aber er vertröstete mich bis zu seiner Rückkehr.
    Kaum hatten wir das Gespräch beendet, rief mein Vater an, um sich zu erkundigen, wie es mir gehe. Ich sagte ihm nichts von Adrian, sondern fragte stattdessen nach meiner Mutter. Er meinte, sie müsse noch eine Zeitlang im Jägerwinkel

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