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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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bleiben, Amelies Beerdigung habe ihre Kraftreserven vollständig aufgebraucht. Bevor wir auflegten, riet mein Vater mir, bis auf weiteres keine neuen Aufträge anzunehmen. Ich könne nicht wissen, wer sich dahinter verberge. Das könne ich nie, hielt ich ihm entgegen, nur um mir anhören zu müssen, es sei kein guter Moment, um Risiken einzugehen.
    »Letztlich kann mir überall etwas geschehen«, meinte ich. »Hast du eigentlich inzwischen eine Erklärung dafür, dass vier Menschen sterben mussten?«, fragte ich und spürte einen tiefen Groll meinem Vater gegenüber.
    »Finja, die Dinge sind nicht immer so einfach, wie wir sie uns wünschen.«
    »Dafür sind sie entsetzlicher, als ich es mir je habe vorstellen können.«
    »Hast du den Sender bei dir?«
    »Was habt ihr nur getan?«, fragte ich.
    »Unsere Arbeit, nichts weiter.«
    *
    In jeder wachen Minute sehnte Gesa sich danach, ihre Tochter im Arm zu halten. Eine Zeitlang hatte sie gehofft, das Vertrauen in sich zurückzugewinnen. Doktor Radolf hatte ihr geholfen und sie immer wieder darin bestärkt, diese Hoffnung nicht zu begraben. Aber seit Alexanders Besuch wusste sie, dass alles vergebens gewesen war. Sie hatte versucht, ihr Kind zu töten. Dafür gab es kein Verzeihen, nicht einmal eine Erklärung. Gesa war das Monster, das Alexander in ihr sah. Sie war die Zeitbombe, die nicht entschärft werden konnte, weil ihr Zündmechanismus unauffindbar blieb. Sie hatte die Worte von Finjas Vater im Ohr: »Du hast jedes Recht auf sie verwirkt.« Dabei ging es gar nicht um ein Recht, sondern um die Gefahr, die sie für ihr Kind darstellte. Da sie sich nicht erinnerte, konnte sie sich nicht sicher sein, dass es nicht noch einmal geschah.
    Alexander hatte sich geweigert, ihr etwas über Finja zu erzählen. Wäre Doktor Radolf nicht gewesen, wüsste sie immer noch nicht, dass es ihr gutging, dass jene Nacht keine bleibenden Schäden bei ihr hinterlassen hatte. Jetzt blieb Gesa nur, auf ihre Schwester zu vertrauen. Freia hatte sich lange vergebens ein Kind gewünscht. Sie würde für Finja sorgen, vielleicht sogar besser, als sie selbst es konnte. Dieser Gedanke hätte sie beruhigen sollen, versetzte ihr jedoch einen Stich.
    »Ich hätte gerne mehr für Sie getan, Gesa«, sagte Doktor Radolf an ihrem letzten Tag.
    Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. »Sie haben so viel für mich getan, Sie haben mich nie so angesehen, als wäre ich ein Monster. Ohne Sie hätte ich die Zeit hier nicht durchgestanden.«
    »Was werden Sie tun, Gesa? Welche Pläne haben Sie jetzt?«
    Pläne?, hallte es in ihr nach. Sie war achtzehn Jahre alt, war entwurzelt und hatte keine Vorstellung, was aus ihr werden sollte – ohne ihre Tochter, ohne den Mann, der sie einmal geliebt hatte und der sie nun hasste. »Ich werde wohl erst einmal in einer Pension unterkommen und dann weitersehen«, antwortete sie mit hängenden Schultern.
    Doktor Radolf sah sie lange an mit diesem wärmenden Blick, in den sich an diesem Tag unverhohlene Sorge mischte.
    »Nein!« Gesa schüttelte den Kopf und versuchte, sich aufrecht hinzusetzen. »Ich komme da draußen zurecht.«
    »Sie wissen, wo Sie mich finden können, außerdem haben Sie meine Telefonnummer. Wenn es Ihnen nicht gutgeht, wenn Sie in Not sind, rufen Sie an oder kommen Sie vorbei. Es lassen sich immer Lösungen finden.«
    Sie lächelte schwach. »Sie meinen bessere Lösungen als die, für die ich mich in jener Nacht entschieden habe, nicht wahr?«
    Er stützte sein Kinn auf die gefalteten Hände und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Irgendwann kehrt vielleicht die Erinnerung zurück, Gesa. Bis dahin ist alles, was Ihre Entscheidung in dieser Nacht betrifft, Spekulation.«
    Gesa verließ die Klinik mit dem Gefühl, dass es hier einen Menschen gab, der hinter ihr stand – egal, was sie getan hatte. Bevor sie in das Taxi stieg, wanderte ihr Blick hinauf zu seinem Fenster. Doktor Radolf hob zum Abschied die Hand und wartete, bis sie abgefahren war.
    Von dem Taxi ließ sie sich zwei Orte weiterfahren bis zu einer Pension, in der sie für eine Woche ein Zimmer mietete. Da sie kaum Gepäck dabeihatte, musste sie im Voraus bezahlen. Ihr Zimmer sah nicht viel anders aus als das in der Klinik. Sie verließ es nur, wenn es draußen bereits dunkel war. Orte, an denen sie jemandem hätte begegnen können, der sie kannte, mied sie.
    Doch trotz aller Vorsicht dauerte es nur wenige Tage, bis Alexander sie aufgespürt hatte. Er brachte ihr zwei Koffer mit

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