Die Todesbotschaft
mir sagen, warum ich das Gefühl nicht loswerde, dass du eigentlich etwas ganz anderes gemeint hast?«
»Nein, das kann ich nicht. Pass auf dich auf, Finja. In Kreuzberg oder wo immer du gerade bist.«
Bevor ich noch etwas erwidern konnte, hatte er die Verbindung unterbrochen und mich mit einem seltsamen Gefühl zurückgelassen. Den letzten Kilometer bis zu meinem Elternhaus verbrachte ich grübelnd, bis ich den Wagen kurz hinter der Einfahrt am Straßenrand abstellte und ausstieg. Kaum hatte ich den Code fürs Tor eingegeben, öffnete sich auch schon die Haustür. Mein Vater schien auf mich gewartet zu haben. Im ersten Moment wirkte er bei meinem Anblick erleichtert, doch dann gewann seine Wut die Oberhand.
»Warum hast du keine einzige meiner SMS beantwortet?«, donnerte er los.
Ich sah ihn stumm an und lief an ihm vorbei in die Halle. Gerade wollte ich die Treppe hinaufgehen, als er mich zurückhielt.
»Bis du eigentlich von allen guten Geistern verlassen, die Leute auszutricksen, die ich zu deinem Schutz abgestellt habe? Und was ist in dich gefahren, bei Tobias einen solchen Auftritt hinzulegen? Hast du Adrian diesen Floh ins Ohr gesetzt?«
Mit einem Kopfschütteln setzte ich mich auf die Stufen und legte meine Tasche neben mich. »Glaubst du, wir warten stillschweigend ab, bis wir auch noch umgebracht werden?«, fragte ich ihn.
»Amelie wurde umgebracht, die anderen drei Todesfälle waren tragische Unfälle.« Vielleicht hoffte er, diese Version selbst irgendwann zu glauben, wenn er sie nur oft genug wiederholte.
»Vier Menschen mussten vielleicht wegen der Existenz dieser Spezialabteilung sterben. Und jetzt erzähle du mir nicht auch noch, dass ihr da irgendwelchen Promis Personenschutz anbietet. Das glaube ich nämlich nicht!«
»Es ist völlig irrelevant, was du glaubst, wichtig ist allein …«
»Was die Kripo glaubt?« Ich sah ihn herausfordernd an. »Selbst wenn denen diese Häufung von Unfällen nicht aufstößt, gibt es immer noch den Mord an Amelie. Und da werden sie dranbleiben müssen, solch eine Akte wird nicht einfach geschlossen. Das Verbrechen an meiner Schwester wird sie dann vielleicht irgendwann auch mit der Nase auf die ungeklärten Todesfälle stoßen.«
Mein Vater griff nach seinem Stock und tat ein paar ausgreifende Schritte auf mich zu. Dicht vor mir blieb er stehen. »Finja, du wirst morgen früh deine Sachen packen und nach Berlin zurückreisen. Haben wir uns verstanden?«
Ich wich keinen Millimeter vor ihm zurück und hielt seinem Blick stand. »Gute Nacht, Paps«, sagte ich, um gleich darauf die Treppe hinaufzulaufen.
In meinem Zimmer angekommen, gab ich der Tür einen solchen Stoß, dass sie mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Ich riss das Fenster auf, zündete mir eine Zigarette an und versuchte, meiner Wut Herr zu werden. Was war nur mit meinem Vater los? So kannte ich ihn einfach nicht. Selbst wenn er und seine Partner erpresst wurden, selbst wenn es eine besondere Abteilung innerhalb der Detektei gab – warum konnte er mir das nicht sagen? Aber vielleicht hatte er sich gar nicht groß verändert, sondern war sich selbst treu geblieben, indem er auch in dieser Situation genau das tat, was er schon immer getan hatte: über ganz essenzielle Tatsachen schweigen.
Dem Zirpen der Grillen und dem friedlich daliegenden See gelang es schließlich, mich so weit zu beruhigen, dass die Müdigkeit die Oberhand gewann. Ich löschte das Licht und schlief fast augenblicklich ein. Es war jedoch ein unruhiger Schlaf, aus dem ich immer wieder hochschreckte. Erst weckten mich zwei Kater, die ihren lautstarken Kampf ausgerechnet unter meinem Fenster austragen mussten, einige Zeit später dann ein paar Betrunkene, die sich grölend am Seeufer vergnügten. Jedes Mal schoss so viel Adrenalin durch meine Adern, dass ich eine ganze Weile wach dalag.
Hätte ich fest geschlafen, hätte ich mit Sicherheit nicht das leise Knarren der Treppenstufen gehört. Voller Angst starrte ich in die Dunkelheit, wagte nicht, mich zu rühren, und versuchte, mich damit zu beruhigen, dass die Alarmanlage eingeschaltet war, also eigentlich niemand ins Haus eingedrungen sein konnte. Im Geiste verfolgte ich denjenigen, der sich auf der Treppe bewegte, bis ich begriff, dass die Geräusche immer leiser wurden, er also hinunter- und nicht hinaufging. Mit zitternden Fingern tastete ich nach dem Wecker. Es war kurz nach drei. Ich spürte meinen Puls im Hals, setzte mich auf und versuchte, klar zu denken. Das
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