Die Todesgruft von Bally Moran
vielleicht holen sollten. Er hat bestimmt keine Hemmungen, hier überall rumzustöbern.«
»Sie meinen, er könnte uns helfen?« In Jesses Augen leuchtete es hoffnungsvoll auf. »Sie meinen, er könnte mir einen Rat geben und mir sagen, wie ich es einen Monat hier aushalten könnte?«
»Das weiß ich natürlich nicht. Er wollte auch eigentlich erst in etwa drei Wochen kommen, um mir einiges im Haus zu reparieren, und der Torf muß auch gestochen werden. Aber wenn Sie wollen, kann ich ja nach ihm schicken.«
Peggy hatte die Tür zur Galerie leicht angelehnt gelassen und horchte ständig mit halbem Ohr, ob der Professor nicht endlich mit Dan McGuire zurückkäme. Andrew Quigley hatte den Whisky gebracht und saß nun in der entferntesten Ecke auf der Kante eines Stuhls, schien jedoch mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Mrs. Mullins hatte nicht mehr aufgehört zu reden. Ihr fiel immer wieder etwas neues zu Peggys Frage ein.
»Ja, ja, mein Dinty hat vor nichts Angst«, plapperte sie mit eifrigem Nicken. »Der Professor ist ja ein gescheiter Mann, und Sie sollten schon seinem Rat folgen. Es ist allerdings nicht nötig, daß er weiß, daß ich das gesagt habe... Ja, aber so gescheit er auch sein mag, mein Dinty könnte vielleicht doch... «
Hört die denn nie auf zu reden? dachte Peggy. Sie blickte auf Jesses halbgeschlossene Augen und fragte sich, ob sie nur schliefe oder etwa bewußtlos wäre. Sie wollte gerade Jesse am Arm schütteln, um sich Gewißheit zu verschaffen, als sie trotz Mrs. Mullins Geschnatter des Professors Stimme hörte.
Sie eilte hastig in die Galerie und atmete erleichtert auf, als sie den Professor und Dan McGuire auf sich zukommen sah. Der Professor mußte mit seinen dürren Beinchen immer drei Schritte machen, um mit einem von Dan McGuire mitzukommen und hatte Mühe, in Führung zu bleiben. Peggy mußte unwillkürlich an einen Schlepper denken, der einen Ozeanriesen in den Hafen zog. Noch nie hatte Peggy etwas so Beruhigendes gesehen wie die breiten, Selbstbewußt-
48 sein ausstrahlenden Schultern des kräftigen und großen jungen Mannes. Schon im Flugzeug hatte ihr Dan McGuires ruhige Männlichkeit imponiert; auf eine irgendwie unaufdringliche Weise sah er sogar gut aus. Und noch bevor er sie überhaupt in der Tür zum Schlafzimmer entdeckt hatte, war sie bereit, ihm ihre ganzen Sorgen zu übertragen und ihn entscheiden zu lassen, was sie tun sollte.
Peggy goß Wasser in den Filter und stellte für Dan McGuire und sich Tassen auf den Tisch. Er schnupperte genießerisch den köstlichen Kaffeeduft, der die Küche erfüllte.
»Ich habe schon lange keinen anständigen Kaffee mehr getrunken«, verkündete er und lächelte. Es war ein warmes, herzliches Lächeln, das Peggy guttat. Er strahlte eine so wohltuende Ruhe aus, daß Peggy das Gefühl hatte, es könnte keine unlösbaren Probleme geben, solange er in ihrer Nähe wäre. Die anderen waren gegangen. Aber er verlangte keine weiteren Erklärungen von ihr oder redete unaufhörlich wie Mrs. Mullins. Er saß einfach da und wartete geduldig, bis sie sich entspannt hatte und von selbst bereit war, etwas zu sagen. Dabei mußte er eigentlich höchst gespannt sein, nach dem, was er von den anderen in der letzten Stunde alles gehört hatte.
Der Professor war nur ungern gegangen, aber Molly hatte ihm keine Ruhe gelassen. Die Angst war ihr nicht mehr aus den Augen gewichen, und sie hatte darauf bestanden, daß der Professor sie nach Hause begleitete.
Da Peggy nicht wußte, ob Molly dem Professor noch weiter Pferd und Wagen leihen wollte, hatte sie ihm ihr Auto angeboten. »Wir brauchen es sowieso nicht, und Sie können Mrs. Mullins zu Hause absetzen. Mr. Quigley hat ja sein Fahrrad.«
»Und das Pferd... ?«
»Das läuft hinterher«, hatte ihn Molly ungeduldig unterbrochen. »Oder es kann ja auch über Nacht im Schloßhof bleiben.«
Der Professor hatte noch versprochen, am nächsten Tag wiederzukommen, und dann waren sie endlich gegangen.
»Gerade als Sie kamen, befürchtete ich, daß Jesse bewußtlos wäre. Sie atmete so langsam.«
»Sie war am Einschlafen.« Dan lachte. »Der Selbstgebrannte hat
es in sich. Der ist so gut wie ein Schlafmittel, wenn man genug davon trinkt.«
»Dan, was ist mit Jesse los?«
Der Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte. »Ich müßte sie noch gründlich untersuchen. Aber nach dem kurzen Eindruck, den ich gewonnen habe, liegt keine physische Ursache vor. Da sie vor ihrer Abreise in psychiatrischer
Weitere Kostenlose Bücher